25.9.06 Gutes bewahren - Schlechtes verbessern:
Stellungnahme der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg zu den Eckpunkten der Gesundheitsreform und zum Vertragsarztrechtsänderungsgesetz.
Der Vorstand der LPK Baden-Württemberg hat gemeinsam mit dem Kammerausschuss Ambulante Versorgung zu den beiden geplanten Gesetzen der Bundesregierung Stellung genommen.

• Zu den Eckpunkten bzw. zu den ersten Entwürfen zum Wettbewerbstärkungsgesetz

Aufhebung der Budgetierung und Pauschalierung
Die LPK Baden-Württemberg begrüßt die angekündigte Ablösung der bisherigen Budgetierung und die Übertragung des Morbiditätrisikos auf die Krankenkassen.
Die bisher vorgesehene und geforderte Erweiterung von Pauschalierungen von Leistungen ist allerdings für den Bereich der psychotherapeutischen Leistungen nicht praktikabel. Sowohl die Leistungen der Richtlinienpsychotherapie wie auch die Gesprächsleistungen der psychotherapeutischen Kapitel im EBM sind mit einer strikten Mindestzeit versehen, die in jedem Fall erbracht werden muss. Es wird für diesen Bereich der Erhalt der Einzelleistung gefordert, wie auch aktuellen Entwurf der KBV für eine Gebührenordnung vorgesehen. Es ist dabei darauf zu achten, dass die sich bisher auf die Honorarverteilung beziehende Regelung des Sozialgesetzbuches V § 85 auch unter neuen Rahmenbedingungen erhalten bleiben. Für entsprechende Regelungen ist auch die BSG-Rechtsprechung heranzuziehen.

Versorgung mit Psychotherapie für Kinder und Jugendliche
In den Eckpunkten und den geplanten Änderungen der Zulassungsverordnung ist keine getrennte Bedarfsplanung für die psychotherapeutische Versorgung von Erwachsenen und von Kindern und Jugendlichen vorgesehen. Wir sehen demgegenüber die dringende Notwendigkeit der Trennung der Bedarfsplanung und getrennter Maßnahmen zur Vermeidung von Unterversorgung, da ein deutlicher Versorgungsmangel für psychisch kranke Kinder und Jugendliche besteht. Es muss ein Versorgungsanteil von 20% für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sichergestellt sein.

Auslaufen der 40%-Regelung
Die bis Ende 2008 geltende Regelung des § 101 Abs 4 SGB V, dass ein 40%iger Versorgungsanteil den psychotherapeutisch tätigen Ärzten vorbehalten ist, sollte zur Verbesserung der Versorgungssituation flexibilisiert werden. Ärztliche Psychotherapeuten können wegen Nachwuchsmangel schon jetzt die freigehaltenen Sitze nicht besetzen. Bundesweit sind aus diesem Grund über 1800 Sitze für ärztliche Psychotherapeuten nicht besetzt.

Auswirkungen auf Baden-Württemberg
Trotz der 1999 ohne Bezug zum realen Bedarf festegelegten Bedarfsplanung ist die regionale Versorgung mit Psychotherapie in Baden-Württemberg im Vergleich zum Bundesdurchschnitt relativ gut. Nur wenige Bezirke sind nominell als unterversorgt einzustufen. Gleichzeitig war bisher die Vergütung für Psychotherapie ebenfalls im Durchschnitt vergleichsweise gut, da sich die Höhe der Vergütung an den Einkommen der Fachärzte orientiert. Auch nach Einführung des vorgesehenen Gesundheitsfonds muss diese auf dem bisherigen, durch das Urteil des Bundessozialgerichts vorgeschriebenen Niveau bleiben. Bei einer Umsetzung des Fondsmodells muss ohne gesetzlichen Schutz mit Vergütungseinbußen für psychotherapeutische Leistungen in Baden-Württemberg gerechnet werden.

Private Krankenversicherung
Die LPK Baden Württemberg begrüßt, dass der PKV-Basistarif den Leistungsumfang der GKV abzudecken hat. Hierbei ist unbedingt darauf zu achten, dass auch die für Psychotherapie gültigen Kontingente der GKV zu übernehmen sind. Bei vielen privaten Krankenversicherungen ist der zu finanzierende Behandlungsumfang schon jetzt im Vergleich zur gesetzlichen Krankenversicherung außerordentlich dürftig. Generell sind die psychotherapeutischen Leistungen in GOÄ und GOP eindeutig unterbewertet; der 1,7-fache Satz liegt erheblich unter dem gegenwärtigen Satz der gesetzlichen Krankenkassen. Darüber hinaus ist zu überprüfen, ob die psychotherapeutische Behandlung bei PKV-Versicherten weiterhin durch die Versicherung entgegen dem Wunsch der Versicherten auf die Behandlung durch Ärzte eingegrenzt werden darf. Die bestehende Diskriminierung von Menschen mit aktuellen oder auch zurückliegenden psychischen Erkrankungen würde durch diese Maßnahmen beseitigt bzw. gemindert.

Gemeinsamer Bundesausschuss
Bei der Umstrukturierung des Entscheidungsgremiums des GBA ist darauf zu achten, dass die Gruppe der Psychotherapeuten sowohl in Unterausschüssen wie auch bei Entscheidungen angemessen repräsentiert ist.


• Zum Vertragsarztrechtsänderngsgesetz (VÄG)

Praxisgebühr
Im SGB V ist eine Klarstellung in Paragraph 28 Abs. 4 dringend erforderlich: die Praxisgebühr darf nur einmalig anfallen, wenn der Patient in einem Quartal sowohl einen Arzt als auch einen Psychologischen Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten aufsucht. Die bestehende Formulierung wird von den Krankenkassen zum Nachteil psychisch Kranker anders interpretiert als vom Bundesministerium. Eine Diskriminierung von Patienten, die einen PP oder KJP aufsuchen, muss vermieden werden.

Neue Versorgungsformen, Berufsausübungsgemeinschaften und geteilte Arztsitze
Es ist zu begrüßen, dass die Zusammenarbeit der verschiedenen Arztgruppen und zwischen den Sektoren verbessert, die Übergänge erleichtert und Qualität optimiert werden soll. Hierzu soll die Tätigkeit in oder die Zusammenarbeit mit einem zugelassenen Krankenhaus (§108 SGB V) oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§111 SGB V) mit der Tätigkeit eines Vertragsarztes/Vertragspsychotherapeuten vereinbar sein. Unter Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten besteht im Bereich der psychotherapeutischen Versorgung ein über das Gesundheitssystem hinausgehender Integrationsbedarf an vielen Schnittstellen, z. B. an der zur Jugendhilfe. Deshalb sollte für die Berufsgruppe der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten eine Nebentätigkeit an Beratungsstellen, Ausbildungsstätten nach § 6 Psychotherapeutengesetz sowie in Maßregel- und Strafvollzugsanstalten ermöglicht werden. Den im Gesetzesentwurf zum VÄndG vorgesehenen Möglichkeiten der Anstellungen von Ärzten/Psychotherapeuten oder des Job-Sharing sind im Falle lokalen Versorgungsbedarfs Vorrang einzuräumen.


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