13.11.2006 Wettbewerbstärkungsgesetz (WSG)
LPK-Vorstand unterstützt Stellungnahme der BPtK und der GK-II-Psychotherapieverbände zum Wettbewerbstärkungsgesetz.
(BPtK/RN) Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) sieht erheblichen Reformbedarf und hält es insbesondere für notwendig, die Versorgung psychisch Kranker zu verbessern. Sie teilt mit vielen anderen Verbänden und Organisation die Sorge, dass das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz die Funktionstüchtigkeit des deutschen Gesundheitssystems gefährden könnte. Wir fassen die Stellungnahme im Folgenden zusammen, der ausführliche Text steht Ihnen am Seitenende als Download zur Verfügung. Der Vorstand der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg schließt sich diesen Stellungnahmen an. Finanzierung des Gesundheitssystems nachhaltig stabilisieren: Die gesetzliche Krankenversicherung braucht eine langfristig stabile und ausreichende finanzielle Basis: Die BPtK hält es deshalb für notwendig, die bisherige Finanzierung aus der Tabaksteuer in Höhe von 4,2 Milliarden Euro zu sichern und zusätzlich den Bundeszuschuss für gesamtgesellschaftliche Aufgaben in der laufenden Legislaturperiode kontinuierlich um gesetzlich fixierte Beträge zu erhöhen. Sie teilt die Sorge, dass eine politische Finanzierungsverantwortung zwangsläufig in einer Unterfinanzierung enden wird, was bei weiterer Zunahme psychischer Erkrankungen v.a. auch die psychotherapeutische Versorgung beeinträchtigen würde.

Wettbewerb nur mit morbiditätsorientierten Strukturausgleich: Die Einführung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs ist essenziell, damit die gesetzlichen Krankenversicherungen ihre Versicherten nicht in jene mit guten und schlechten Risiken einteilen und entsprechend behandeln. Darunter hätten insbesondere psychisch kranke Menschen zu leiden. Der Ausgleich muss trennscharf die Kostenbelastung durch unterschiedliche Morbiditätsgruppen abbilden. Qualität im Selektivvertragsystem sichern: Neue Versorgungsstrukturen eröffnen die Möglichkeit, psychische Krankheiten früher und besser zu erkennen. Auch Fehlversorgung durch nicht indizierte oder alleinige Pharmakotherapie ließe sich so abbauen. Grundsätzlich hat die Behandlung durch multidisziplinär zusammengesetzte Teams gerade bei psychisch und/oder chronisch Kranken eine vorrangige Bedeutung. Die Kooperation kann aber nur gelingen, wenn sich neue Versorgungsstrukturen nicht allein entlang rein ärztlicher Leitlinien entwickeln bzw. auf ärztlicher Dominanz beruhen, sondern den beteiligten unterschiedlichen Gesundheitsberufen eine gleichberechtigte und eigenständige Rolle zugestehen. Ob tatsächlich Selektivverträge für psychisch Kranke zustande kommen, ist abzuwarten. Eine umfassende Versorgung innerhalb von Kollektivverträgen bleibt deshalb notwendig.

Effizientere Aufgabenverteilung zwischen den Gesundheitsberufen ermöglichen: Das deutsche Gesundheitssystem braucht eine effizientere Aufgabenverteilung zwischen den Gesundheitsberufen. Viele Gesundheitsberufe erweitern und vertiefen ihre Ausbildung und übernehmen Verantwortung für die Qualitätssicherung. Die BPtK fordert deshalb für Psychotherapeuten die Möglichkeit, Patienten in psychiatrische Einrichtungen einzuweisen. Ebenso sollten sie Heilmittel, z. B. Ergotherapie und Sprachtherapie, verordnen können.

Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA) - Expertise der Gesundheitsberufe nutzen: Für sachkompetente und tragfähige Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) kommt es darauf an, neben Ärzten weitere Gesundheitsberufe mit ihrer fachlichen Expertise in die Beratungen mit einzubeziehen. Zumindest die Unterausschüsse des G-BA sollten sektorübergreifend und multidisziplinär besetzt werden. Die BPtK hebt hervor, dass Ärzte angesichts des erheblichen Differenzierungsprozesses nicht mehr in der Lage seien, Aufgabenstellungen im Rahmen der Pflege, aber auch für psychotherapeutische Fachfragen mit zu übernehmen. Sie fordert außerdem ein Anhörungsrecht bei den Richtlinien und Beschlüssen des G-BA, die die Berufsaufgaben der Psychotherapeuten betreffen. Prävention ohne Sanktion: Der Gesetzesentwurf sieht vor, die Absenkung der Belastungsgrenze auf 1% der jährlichen Bruttoeinkünfte von der regelmäßigen Teilnahme an Gesundheits- und Früherkennungsuntersuchungen abhängig zu machen. Die in diesem Zusammenhang geplanten Bescheinigungen für therapiegerechtes Verhalten durch Ärzte sind mit Ansätzen einer gleichberechtigten Patientenbeteiligung (z.B. Shared Decision Making) nicht kompatibel, weshalb diese Neuregelung ersatzlos gestrichen werden sollte. Die BPtK spricht sich demgegenüber für eine Bonusregelung bei gesundheitsbewusstem Verhalten aus.

Bzgl. Vorbeugung und Erkennen von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung schlägt die BPtK vor, in Ergänzung zu den unverzichtbaren Maßnahmen der Jugendhilfe qualitativ bessere und erweiterte Früherkennungsuntersuchungen (U1 - U9) einzuführen. In den kinderärztlichen Untersuchungen fehlen bisher systematische Screenings der kognitiven, emotionalen und sozialen Entwicklung der Kinder. Zwangsuntersuchungen hält die BPtK auch hier für aufwendig und zudem wenig effektiv. Da ein Großteil der präventiven, pädagogischen und therapeutischen Interventionen in den Bereich der Jugendhilfe (SGB VIII) füllt, müssten darüber hinaus geeignete Schnittstellen zwischen SGB VIII und SGB V entwickelt werden. Bzgl. der Weiterentwicklung medizinischer Vorsorgeleistungen hebt die BPtK hervor, dass durch Wissensvermittlung allein, z.B. Schulungen oder ärztliche Ratschläge, den meisten Zielgruppen nachweislich nicht helfe. Den meisten Menschen sei ihr Risikoverhalten (Rauchen, falsche/zuviel Ernährung, Bewegungsmangel etc) bewusst. Entscheidend für eine erfolgreiche Prävention sei hingegen, dass psychologische Konzepte zum Einsatz kommen, die zu nachhaltigen Verhaltensänderungen führen.

Spezifika psychotherapeutischer Leistungen bei der Vergütungsreform berücksichtigen: Die morbiditätsorientierte Fortschreibung der Gesamtvergütung auf der Besis diagnosebezogen gebildeter Risikoklassen ist für den Bereich der psychischen Erkrankungen nicht sachgerecht, weil die für den Behandlungsaufwand entscheidenden Schweregrade sowie weitere Einflussfaktoren (Chronizität, soziale Rahmenbedingungen) in der Regel nicht berücksichtigt. Bei der Vergütung muss die Zeitgebundenheit psychotherapeutischer Leistungen berücksichtigt werden, weshalb die bisherige Regelung, die Honorare für Psychotherapie so zu stützen, dass eine angemessene Vergütung pro Zeiteinheit entsteht, beibehalten werden sollten. Ähnliche Forderungen zur Vergütung wurden auch vom so genannten Gesprächskreis II der Psychotherapieverbände erhoben, dessen Stellungnahme sie ebenfalls am Seitenende finden.

Diskriminierung psychisch kranker Menschen in der Privaten Krankenversicherung begrenzen: Die Einführung des PKV-Basistarifs könnte die Diskriminierung psychisch kranker Menschen in der privaten Krankenversicherung begrenzen. Aktuell weigern sich 40 von 48 Unternehmen, die im Verband der privaten Krankenversicherung organisiert sind, psychisch kranke Menschen zu versichern. Dies auch, wenn die Erkrankung bereits Jahre zurückliegt und erfolgreich psychotherapeutisch behandelt wurde. Die BPtK schlägt vor, dass ein Anspruch der PKV-Versicherten auf einen vergleichbaren Behandlungsumfang, wie er für die GKV-Versicherten gilt, sowie auf direkten Zugang zu Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten im WSG fixiert wird.


 
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