23.5.07 Expertenanhörung im Kabinettsausschuss...
... des Landtags von Baden-Württembergs am 21. Mai 2007 zur Medizinisch/Psychotherapeutischen Versorgung im ländlichen Raum
(LPK) Die Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg hat zu einer Anfrage des Kabinettsausschusses "Ländlicher Raum - Soziale und gesundheitliche Versorgung" mit einer ausführlichen Stellungnahme reagiert. In ihr wird die bestehende und sich möglicherweise in den kommenden Jahren sich noch verschlechternde Unterversorgung vor allem im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie thematisiert. Mit einem umfangreichen Fragenkatalog waren die beiden Ministerien an die Kammern, Ärzte- und Apothekerverbände uns an die Leistungsträger (gesetzliche und private Krankenkassen) herangetreten. Hierin sollte zur möglichen Entwicklung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung, zur Notfall- und zu Arzneimittelversorgung Stellung genommen werden. Die LPK Baden-Württemberg ging auf die besondere Situation der psychotherapeutischen Versorgung ein.

Dabei wird hervorgehoben, dass die im ministeriellen Fragekatalog getroffene Aussage, dass aktuell "keine Unterversorgung" bestehe, nur vor dem Hintergrund der geltenden Bedarfsplanung richtig sei. Mit der Einführung der Bedarfsplanung wurde der damalige IST-Zustand als SOLL festgelegt und damit eine vorhandene Unterversorgung bis heute fortgeschrieben.

Wie Dr. Rüdiger Nübling, der die LPK gemeinsam mit Vorstandsmitglied Kristiane Göpel vertrat, hervorhob, besteht vor allem in Bezug auf psychisch kranke Kinder und Jugendliche eine deutliche Unterversorgung, dies insbesondere in ländlichen Kreisen. Wie die von ihm mitverfasste Versorgungsanalyse der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg auf der Basis epidemiologischer Daten ergeben hat, liegt der Versorgungsgrad landesweit selbst bei optimistischer Modellrechnung bei durchschnittlich ca. 40%, einigen Landkreisen bei unter 20%. Lediglich in drei Stadtkreisen - Heidelberg, Heilbronn und Freiburg - kann von einer annähernd bedarfsgerechten Versorgung gesprochen werden. "Dieser Befund ist - auch in Hinsicht der eben veröffentlichen ersten Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys - Besorgnis erregend. Bezogen auf die kommenden 10-20 Jahre muss davon ausgegangen werden, dass sich diese Zahlen weiter verschlechtern werden", meint Nübling.

Auch für den Bereich der psychotherapeutischen Versorgung Erwachsener könne nicht von einer ausreichenden Versorgung gesprochen werden. Nach wie vor seien lange Wartezeiten auf einen Therapieplatz sowie hohe Chronifzierungszeiten zwischen 5-7 Jahren zu verzeichnen. Die gesundheitsökonomischen Konsequenzen wie immer höhere Fehlzeiten am Arbeitsplatz, hohe Frühberentungsquoten aufgrund psychischer Erkrankungen etc. seien bekannt. Da aber auch im Erwachsenenbereich die nicht am tatsächlichen Bedarf orientierten Bedarfsplanungsrichtlinien gelten, werde ohne Änderungen die bestehende Unterversorgung auch künftig in Teilen erhalten bleiben.

Was ist zu tun? Die konkreten Vorschläge der LPK Baden-Württemberg im einzelnen

Bedarfsplanung am realen Bedarf orientieren
Die aktuelle Bedarfsplanung geht für den ländlichen Raum von einem etwa um den Faktor 10 geringeren Bedarf aus als im städtischen Umfeld. Ein solcher Unterschied zwischen Stadt und Landbevölkerung ist bzgl. der Prävalenz psychischer Erkrankungen epidemiologisch nicht nachweisbar. Die Bedarfsplanung muss sich künftig am realen, epidemiologisch nachgewiesenen Bedarf orientieren, dies ist insbesondere für den ländlichen Raum zu fordern.

Anreize für Zulassungen geben, Sonderbedarfszulassungen ermöglichen, Quotierung aufheben
Anreize seitens der Kommunen machen nur Sinn in zulassungsoffenen Gebieten. Derzeit bestehen Möglichkeiten der Zulassung nur für ärztliche Psychotherapeuten, von denen aber viel zu wenige vorhanden sind mit der Konsequenz, dass viele Kassenarztsitze unbesetzt bleiben. Sonderbedarfszulassungen, die vor allem für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten notwenig wären, und die durch die Zulassungsausschüsse der KVen möglich sind, werden sehr restriktiv gehandhabt. Diese Praxis sollte einer offenere Vorgehensweise weichen.

Mehr Psychotherapeuten ausbilden, Anreize schon während dem Studium, Verbesserung der Ausbildungssituation im Psychiatriejahr
Den heutigen Studenten der Psychologie, Pädagogik und Sozialpädagogik sollten verstärkt Anreize dafür gegeben werden, eine psychotherapeutische Ausbildung nach dem Studium anzustreben, z.B. die durch eine veränderten Bedarfsplanung verbesserten Chancen auf eine Niederlassung oder strukturellen Änderungen in der psychotherapeutischen Aus-, Fort und Weiterbildung, insbesondere deren Finanzierbarkeit sowie mancher Rahmenbedingungen (meist unentgeltliches Psychiatriejahr, für darüber hinaus viel zu wenig Plätze zur Verfügung stehen).

Umfassende Versorgungsforschung initiieren
Planungsentscheidungen, zumal wenn sie auf Prognosen beruhen, bedürfen umfangreicher und verfügbarer Versorgungsdaten. Es muss hervorgehoben werden, dass derzeit vorliegenden Analysen - auch die von der LPK durchgeführten - mit Unsicherheiten behaftet sind. Für eine validere Prognose unbedingt erforderliche Daten sind für einige Versorgungsbereiche entweder nicht vorhanden und/oder schwer zugänglich. Diese müssen im Rahmen einer umfassenden Versorgungsforschung erhoben werden, was aus Sicht der LPK Baden-Württemberg dringend zu fordern ist.




 
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