3.3.08 Wirkung von Antidepressiva umstritten
(BPtK) Immer mehr Forscher bezweifeln die generelle Wirkung von Antidepressiva. In einer neuen Metaanalyse kommt Irving Kirsch, Professor für Psychologie an der nordenglischen Universität of Hull, zu dem Ergebnis: "The overall effect of newgeneration antidepressant medications is below recommended criteria for clinical significance."

Kirsch und fünf Kollegen aus den USA und Kanada stellten in ihrer neuen Studie fest, dass die Wirkung von Antidepressiva nur 1,8 auf der Hamilton-Skala beträgt. Das sei statistisch signifikant, liege aber deutlich unter dem Wirksamkeitskriterium von drei Punkten, das das britische National Institute for Clinical Excellence (NICE), vergleichbar dem deutschen IQWiG, aufgestellt habe.

Kirsch und Kollegen fanden heraus, dass sich weder bei leichten noch schweren Depressionen eine ausreichende Wirkung von Antidepressiva belegen lässt. Nur bei sehr schwer depressiven Patienten war die Wirkung besser. Dies sei aber nicht einer besseren Wirksamkeit geschuldet, sondern eher einer nachlassenden Placebowirkung in der Vergleichsgruppe. Die Studie ist im britischen Online-Fachmagazin Plos Medicine publiziert.

Kirsch und Kollegen werteten für ihre Metaanalyse 47 Studien aus, die zwischen 1987 und 1999 für die Zulassung als Antidepressiva bei der US-Arzneimittelbehörde eingereicht wurden. Zu den Wirkstoffen zählten Fluoxetine (Eli Lilly and Company), Venlafaxine (Wyeth Pharmaceuticals), Nefazodone (Bristol-Myers Squibb) und Paroxetine (GlaxoSmithKline). Die Forscher bezogen neben den veröffentlichten auch die unveröffentlichten Studien in ihre Untersuchung ein. Werden Studien, die keine oder negative Wirkungen von Medikamenten feststellen, nicht in die Beurteilung einbezogen, kann die Wirksamkeit eines Wirkstoffes überschätzt werden. Erst kürzlich hatte ein Bericht im New England Journal of Medicine (Vol. 358, 17. Januar 2008) die gängige Praxis kritisiert, Studien mit keinen oder negativen Ergebnissen nicht zu veröffentlichen. So wurden zwischen 1987 und 2004 zwar 94 Prozent der Studien veröffentlicht, die eine positive Wirkung von Antidepressiva feststellten, aber nur 14 Prozent der Studien mit einem negativen oder unsicheren Ergebnis (BPtK-Newsletter, Februar 2008).

Therapien mit neueren Antidepressiva basieren auf der Annahme, dass Depressionen mit einem Mangel an Botenstoffen im Gehirn einhergehen (Serotonin, Noradrenalin, Dopamin). Es ist jedoch nicht gesichert, dass Störungen des Neurotransmitterstoffwechsels grundsätzlich in Verbindung mit Depressionen auftreten. Patienten sprechen tatsächlich sehr unterschiedlich auf Antidepressiva an. Nach Einschätzung des Max Planck-Instituts für Psychiatrie in München führen Antidepressiva nur bei 60 Prozent der Patienten zu einer Symptomlinderung.

 
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