AKTUELLES: Nachrichten 2009
10.02.09
Sondervertreterversammlung der KVBW endet in einem Eklat
Die Einführung des Gesundheitsfond und die damit erforderlich gewordene Honorarreform mit zunächst vorgesehener einheitlicher Vergütung in ganz Deutschland führte zu großer Verunsicherung bei den niedergelassenen Ärzten in Baden-Württemberg. Zwischenzeitlich ist deutlich, dass von der von der Politik versprochenen Honorarverbesserung in Höhe von etwa 10 % in Baden-Württemberg nichts ankommen wird, es sogar zu Einkommenseinbußen kommen wird.
Zu der zu diesem Thema einberufenen öffentlichen Sondervertreterversammlung der KVBW am 31.1.2009 waren neben der Präsidentin der Landesärztekammer und dem Präsidenten der Landespsychotherapeutenkammer die Präsidenten der Bezirksärztekammern und Vorsitzenden der Kreisärzteschaften und Vertreter der Ärzte- und Psychotherapeutenverbände und die KV-Öffentlichkeit eingeladen. Knapp 400 Ärzte und Psychotherapeuten waren gekommen und die Stimmung war von Anfang an angespannt und aufgeheizt. Sowohl beim Vortrag des KV-Vorsitzenden Hoffmann-Goldmayer als auch bei seinem Stellvertreter gab es mehrfach Zwischenrufe und Rücktrittsforderungen aus dem Publikum. KV-Vorstandsvize Herz erläuterte, dass in Baden-Württemberg, das seit vielen Jahren Spitzenreiter in der Vergütung der Ärzte war, 2009 für die Vergütung der Hausärzte im Vergleich zum Vorjahresquartal durchschnittlich 3,6%, bei den Fachärzten 0,6% weniger Finanzmittel zur Verfügung stehen würden. Der Beschluss des Vorstandes der KV, dass die RLV-Systematik vorläufig in Baden-Württemberg so nicht umgesetzt werde, fand angesichts der aufgeheizten Stimmung gegen den KV Vorsitzenden kaum Gehör.
Von Vertretern des Medi-Verbundes wurde in der anschließenden Diskussion bei zeitweise lautem Beifall und Zwischenrufen vieler Gäste heftige Kritik an der Politik des KV-und KBV-Vorstandes geäußert. Zu KBV-Vorsitzendem Köhler wurde in einem emotional aufgeladenen Statement gefordert, dass er wegen seiner Zustimmung und Umsetzung der Vorgaben des Gesetzgebers und der Honorarverteilung "geteert und gefedert" gehört hätte.
Zu einem Antrag zur Missbilligung der Honorarpolitik des KV-Vorsitzenden und einem Antrag zum Rücktritt des KV-Vorsitzenden Hoffmann-Goldmayer wurde eine namentliche Abstimmung gefordert, damit man sehe, wer den Vorsitzenden und diese Politik noch mittrage. Nach dem Antrag eines Delegierten zu geheimer Abstimmung dieser Anträge kam es zu heftigen Zwischenrufen und Angriffen sowohl von anderen Delegierten der VV als auch aus der anwesenden Öffentlichkeit, lautstark wurde dieser Kollege als "Verräter" beschimpft. Aus Protest gegen diese Äußerungen verließen mehrere Mitglieder der VV, darunter auch drei der vier anwesenden Psychotherapeutenvertreter den Saal. Sie begründeten dies damit, dass ein ordnungsgemäßer und den demokratische Spielregeln entsprechender Ablauf aus ihrer Sicht nicht mehr gewährleistet war.
Ein Antrag, in Tageszeitungen in Baden-Württemberg über die Arzthonorierung zu berichten wurde ebenso wie der Antrag, die KBV-Vorstandsmitglieder Köhler und Müller zum Rücktritt aufzufordern und ein Antrag zur Missbilligung der Honorarpolitik des KVBW-Vorstands von der Versammlung einstimmig beziehungsweise mit großer Mehrheit verabschiedet.
Nachdem dann weitere Delegierte den Saal verlassen hatten, war die Vertreterversammlung vor der Abstimmung der Forderung nach Rücktritt des KVBW Vorsitzenden Hoffmann-Goldmayer beschlussunfähig geworden. Der nicht mehr abgestimmte Antrag wird in der nächsten VV am 11. Februar erneut auf der Tagesordnung stehen.
Ausführliche Informationen dazu finden Sie auf der Homepage der KV-BW.
Kommentar
Die politische und fachliche Auseinandersetzung in den demokratisch gewählten Gremien der Selbstverwaltung erfordert gegenseitigen Respekt, auch bei schwierigen und emotional aufgeladenen Themen ausreichend Sachlichkeit, um die verschiedenen Standpunkte gegeneinander abzuwägen und erforderliche Kompromisse zu erarbeiten. Auch wenn die Politik der derzeitigen Bundesregierung einen verschärften Wettbewerb im Gesundheitssystem fordert und fördert, sollten wir die Selbstverwaltung in Form der Körperschaften mit der dazu gehörigen Rechtssicherheit nicht leichtfertig schwächen und für Partialinteressen aufs Spiel setzen. Im KV-System droht die Gefahr, dass dieses angesichts der Proteste „von innen ausgehöhlt“ (W. Herz) wird, was die gemeinsame Vertretung der ärztlichen und psychotherapeutischen Interessen nur schwächen wird. Die alte Formel „divide et impera“ droht angesichts der sehr unterschiedlichen Interessen verschiedener Verbände aufzugehen. Kurzfristig wird sie dem einen oder anderen Vorteile bringen, dies kann jedoch nur zu Ungunsten anderer erfolgen, da der Gesetzgeber über den Gesundheitsfond die zur Verfügung stehenden Finanzmittel im Gesundheitssystem festgelegt hat, sodass Vorteile des einen nur zu Ungunsten des anderen möglich sind. Hierdurch kommen Ängste und Rivalitäten auf, die wir als politisch verantwortlich Handelnde nicht weiter anheizen sollten, sondern für die wir sachlich und im Rahmen demokratischer Regeln und Gepflogenheiten Lösungen erarbeiten müssen. Die in den verantwortlichen Gremien Arbeitenden verdienen bei aller Kritik und gegebenenfalls auch Forderungen zum Rücktritt gebührenden Respekt und Unterstützung. Ohne die Interessensgegensätze verleugnen zu wollen, unterhöhlt eine emotional aufgeheizte Stimmung nicht nur das KV-System, sondern auch das Vertrauen in demokratische Spielregeln als Fundament unseres berufspolitischen und politischen Systems, das Besonnenheit, Sachlichkeit und gegenseitige Anerkennung erfordert.
Dr. Dietrich Munz
Präsident
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