27.03.2012 Mehr als jeder zweite Euro von einem Spielsüchtigen
Experten fordern besseren Schutz vor Glücksspielautomaten

(BPtK) Nach Ansicht von Fachleuten reichen die geplanten Maßnahmen der Bundesregierung zum Schutz vor Glückspielautomaten nicht aus. Jeder zweite Euro, den die Automatenindustrie einnimmt, stammt von einem Spielsüchtigen. Das ergab eine Anhörung des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages zum Antrag der SPD-Fraktion „Glückspielsucht bekämpfen“ am 21. März 2012. Auch die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hatte sich in ihrer Stellungnahme zur Novellierung der Spielverordnung für schärfere Maßnahmen gegen die Spielsucht ausgesprochen.

Glücksspielautomaten haben aufgrund ihrer leichten Verfügbarkeit und der schnellen Spielabfolge ein hohes Suchtpotenzial. Die Automatenindustrie verweist auf die geringe Häufigkeit der Spielsucht in der gesamten Bevölkerung, die mit 0,6 bis 1,2 Prozent der Bevölkerung in den letzten zwölf Monaten eher gering ist. Untersucht man jedoch spezifische Spielergruppen, so belegen die Daten insbesondere für die Automatenspiele ein sehr hohes Suchtpotenzial. Studien zufolge liegt der Anteil der Spielsüchtigen bei Glückspielautomaten zwischen neun und 42 Prozent. Das führt nach Ansicht des Experten Prof. Dr. Michael Adams von der Universität Hamburg dazu, dass mehr als jeder zweite Euro, den die Automatenindustrie einnimmt, von einem Spielsüchtigen stammt. „Ein süchtiger Spieler weist ein mindestens zehnmal so hohes Spielvolumen wie ein Freizeitspieler auf. Im Ergebnis liegt die Spannweite der Einnahmen mit Süchtigen an den Gesamteinnahmen zwischen 50 und 60 Prozent“, errechnete Adams. Der Glücksspielmarkt ist ein Milliardenmarkt. In Deutschland erzielten die Anbieter im Jahr 2009 9,4 Milliarden Bruttoeinnahmen. Fast die Hälfte dieser Einnahmen (4,41 Milliarden Euro) entfallen dabei auf das Automatenspiel.

Die Experten waren sich deshalb einig, dass eine wirksame Suchtprävention beim Automatenspiel entweder ein vollständiges Verbot der Automaten nach Schweizer Vorbild oder eine umfangreiche Markteinschränkung in Verbindung mit einer Entschärfung der Spielautomaten und der Einführung einer Spielerkarte erfordere. Darüber hinaus wurden einheitliche Regelungen für alle Bundesländer gefordert. „Das derzeit bestehende Chaos in Deutschland im Glücksspielbereich ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass sich jeder und niemand richtig zuständig fühlt“, kritisierte Prof. Dr. Tilman Becker von der Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim. Einheitliche Regelungen könnten durch eine „Gambling Commission“, wie sie in anderen europäischen Ländern üblich ist, geschaffen werden. Eine solche Kommission, die umfassend das Glücksspiel reguliert, könnte alle Aufgaben von der Lizenzerteilung, über die Zulassung und Kontrolle der Software bis zur Durchführung von wissenschaftlichen Studien und der Beratung der Politik übernehmen.



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