09.07.2012 Psychotherapie bei Psychosen und "Kammer im Gespräch"
Tagung am 26.06.12 in Tübingen - Bericht und Vortragsunterlagen

Themen: Psychotherapie bei Psychosen: gefährlich und undurchführbar oder leitliniengerecht und wirksam? und “Kammer im Gespräch“ –Information und Austausch zu aktuellen Themen

Vor der eigentlichen Kammerveranstaltung mit Fortbildungsvortrag am Nachmittag für in Kliniken tätige angestellten KollegInnen hatten sich bereits am Vormittag ca. 30 KollegInnen inklusive PsychotherapeutInnen in Ausbildung (PPiAs) Zeit genommen für einen Austausch u.a. auch über den aktuellen fachlich-psychotherapeutischen und qualitativen Rahmen der Arbeitsbereiche (Anzahl der KollegInnen, Umgang der Kliniken mit PPiAs und Regelung deren Supervision, tarifliche Situation, Leitungsfunktionen für PP, Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen, Arbeitsschwerpunkte in denen PP besonders gefragt sind usw.) Geklagt wurde immer wieder über Arbeitsverdichtung bedingt durch das Auffangen des Ärztemangels bis hin zu Springerfunktionen deswegen. Ebenso wurde geschildert, dass aufgrund des Fachärztemangels z.T noch wenig fachlich qualifizierte ausländische Ärzte mit mangelnden Sprachkenntnissen eingesetzt (und vorgesetzt) werden, und hier sowohl die PP KollegInnen als auch PPiAs die sprachlichen und fachpsychotherapeutischen Mängel im direkten Kontakt mit Patienten auffangen. PPiAs erhielten überwiegend wenig Supervision zudem sei eher ein Trend hin zur Verschlechterung deren ohnehin skandalöser Bezahlung (vielfach noch zwischen 200 – 400) im Vergleich zu den Vorjahren zu verzeichnen. Diese Mehrbelastungen gehe in der Regel ohne Verantwortungs- oder Leitungsübernahme oder entsprechendem finanziellem Abgleich einher und sogar derzeit eher der Tendenz zur weiteren Absenkung der Bezahlung, bedingt durch die neuen Tarife . Dabei wurden auch einige positive Entwicklungen bei den PPiAs berichtet, dies jedoch nur aus wenigen Kliniken, die dann PPiAs fördern und eine deutlich bessere Betreuung und Bezahlung anbieten.

Zum Vortrag am Nachmittag nahmen ca 60 angestellte KollegInnen und PPIAs an der Veranstaltung der Kammer teil. Im ersten Teil referierte Herr Prof. Klingberg (Tübingen) zu dem etwas provokant formulierten Thema (s.o.) auf der Basis der Ergebnisse einer multizentrischen Therapievergleichsstudie. Er ging dabei besonders auf die Problematik ein, dass Patienten mit psychotischen Störungen nach wie vor besonders bei ambulanter aber auch bei stationärer Behandlung kaum eine Chance haben, ein spezifisch psychotherapeutisches Behandlungsangebot zu erhalten. Gründe dafür finden sich in strukturellen Aspekten ("Richtlinienpsychotherapie"), in Skepsis bei vielen Professionellen ("hilft nicht" oder gar "gefährlich") und in der zu behandelnden Symptomatik (insbesondere Misstrauen und Initiativemangel). In der Diskussion wurden die Gründe bzw, fehlenden Rahmenbedingungen weiter erläutert und diskutiert, die derzeit eine Psychotherapie bei Psychosen erschweren, so wurde aufgeklärt, dass derzeit in Deutschland die Psychotherapierichtlinien die Diagnose Schizophrenie bzw psychotische Störung als Indikation für eine Psychotherapie nicht zulassen. Psychotherapeutisch behandelt werden kann damit derzeit in der Regel nur die psychische Begleit- Folge- oder Residualsymptomatik. Dies obwohl in qualitativ hochwertigen Behandlungsleitlinien international, wie etwa in der NICE Guidline Schizophrenia, Psychotherapie den höchsten Empfehlungsgrad hat aber auch die S3 Leitlinien solche Empfehlungen enthalten. Empfohlen werden hier u.a. die Kognitive Verhaltenstherapie sowie Familieninterventionen für die Routineversorgung. Einen negativen Einfluss dabei habe auch, dass in Deutschland Leitlinien nicht allgemein als verbindlich und leitend umgesetzt werden in Kliniken und so häufig die Pharmakatherapie vorrangig und behandlungsleitend sei. Ziel sei, dass neue Versorgungskonzepte psychotherapeutische Leistungen im empfohlenen Umfang verbindlich vorsehen. Weitere gemeinsame Aktionen zur Verbesserung dieser Situation bestehen derzeit darin, dass sich die Fachverbände verschiedener Therapierichtungen zu einem Dachverband zusammengeschlossen haben um das Ziel einer Verbesserung der bestehenden Situation für Psychosekranke gemeinsam anzugehen. Hier engagieren sich auch sowohl die Bundes- als auch die Landeskammer Baden-Württemberg.

Im dann folgenden Austausch („Kammer im Gespräch“) mit Mitgliedern des Kammervorstandes und des Ausschusses PTI informierte der Vorstand zur laufenden Arbeit insbesondere auch zu Fragen der Fort- und Weiterbildung, der Neuropsychologie usw. Die Juristin der Kammer fasste die häufigsten Probleme und Fragen zusammen, die von Angestellten an die Kammer gerichtet werden, erläuterte diese und die dazu auftauchenden weiteren Fragen.

Die Vortragsunterlagen von Prof. Klingberg zur Fortbildungsveranstaltung stehen nachfolgend zur Verfügung.


Dokumente zum Download:

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