08.09.2013Interview mit dem Vorstand der LPK BW

Seit der Gründung der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg im Jahr 1999 stehen Dr. Dietrich Munz und Martin Klett mit an deren Spitze. Die Zeitungs-Redakteurin Kirsten Reuschenbach hat mit ihnen über bereits Erreichtes und künftige Herausforderungen gesprochen.

Drei Fragen an...

Dr. Dietrich Munz

den Präsidenten der Landespsychotherapeutenkammer,
Dr. Dietrich Munz

Kammerpräsident zu sein, ist...

...eine Herausforderung, manchmal anstrengend, aber es macht viel Freude, etwas für die Kolleginnen und Kollegen zu bewegen.

Ohne die Landespsychotherapeutenkammer...

...wären die Psychotherapeuten in der Gesundheitspolitik wesentlich schwächer vertreten, nach innen in die eigene Profession und außen gegenüber den anderen Akteuren in der Berufspolitik. Untereinander gäbe es keine so gute Diskussionsbasis.

Die demographische Entwicklung bedeutet für die Psychotherapeuten,...

...dass wir uns noch mehr mit den psychischen Erkrankungen und Belastungen im Alter auseinandersetzen müssen. Und ältere Menschen sollten vermehrt über Therapien und Hilfen aufgeklärt werden.

Im Herbst sind in der Kammer Wahlen. Würden Sie Ihre Funktionen gerne weiterführen?

Munz: Ja, ich würde gerne weitermachen, um meine Erfahrungen und Kenntnisse einbringen zu können. Wir haben eine gute Vorstandsarbeit geleistet, die wir gerne fortsetzen würden - und zwar zusammen, als Team.

Klett: Dem kann ich mich nur anschließen. Wir haben als Team sehr gut zusammengearbeitet, was auch ich gerne fortsetzen möchte.

Was hat die Kammer seit ihrer Gründung erreichen können?

Munz: Wir haben zunächst einmal eine Berufsordnung geschaffen, die die Rechte und Pflichten professionellen Handelns festlegt und Rechte und Möglichkeiten der Patientinnen und Patienten aufzeigt. Für beide Seiten gibt es in der Kammer gute Beratungsmöglichkeiten. Auch die Bundespsychotherapeutenkammer als Arbeitsgemeinschaft der Länderkammern hat sich seit der Gründung sehr gut etabliert.

Klett: Mittlerweile werden wir im gesundheitspolitischen Feld wahr- und ernstgenommen und um unsere Meinung gebeten. Zum Beispiel bei der Erstellung des Bedarfsplans. Das war ein steiniger Weg, weil es andere Kammern, zum Beispiel die Ärztekammer, schon lange vor uns gab.

Was werden die größten Herausforderungen in den kommenden Jahren sein?

Munz: Da sehe ich zum einen die Reform der Ausbildung. Der Bundesgesetzgeber muss das seit 1999 bestehende Psychotherapeutengesetz an die Bologna-Struktur anpassen und endlich klären, ob die Direktausbildung künftig die post-graduale Ausbildung ersetzen soll. Aber bisher sind viele Fragen völlig ungeklärt.

Wie steht die Kammer zu dieser Frage?

Klett: Die Position wird diskutiert. Wir sind uns einig, dass das jetzige System dringend reformiert werden muss, nachdem an den Hochschulen die Bologna-Reform umgesetzt wurde. Es kann nicht so weitergehen, dass zum Beispiel in einigen Bundesländern Bachelor-, in anderen aber nur Masterabsolventen zur Ausbildung zum Kinder- und Jugendpsychotherapeuten zugelassen werden. Der Masterabschluss muss als Eingangsvoraussetzung für die gesamte Psychotherapeutenausbildung festgelegt werden!

Munz: Angenommen, die Direktausbildung würde die postgraduale Ausbildung ablösen: Bei den Ärzten ist das System mit Unistudium, Approbation und anschließender Weiterbildung im Beruf institutionell fest verankert. Eine solche Struktur fehlt bei den Psychotherapeuten völlig und es würde viel Geld kosten, sie zu etablieren. Wir rechnen damit, dass dann etwa 4000 bis 5000 Weiterbildungsabsolventen in Praxen oder Ausbildungsinstituten und den Kliniken angestellt werden müssten.

Klett: Bevor wir uns als Kammer auf ein Ausbildungsmodell festlegen, müsste klar sein, wie die Finanzierung der Weiterbildung und der praktischen Ausbildungsteile geregelt wird, welche Inhalte ein Studiengang Psychotherapie vermitteln sollte und ob er nur an Universitäten oder auch an anderen Hochschulen angeboten wird.

Drei Fragen an...

Martin Klett

den Vizepräsidenten der Psychotherapeutenkammer,
Martin Klett

Ich bin Kinder- und Jugendpsychotherapeut geworden, weil...

...mich die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen schon immer fasziniert und interessiert hat.

In zehn Jahren wird die Landespsychotherapeutenkammer...

...bei den anderen Akteuren der Gesundheitspolitik hoffentlich noch bekannter sein als heute.

Gesundheitspolitik sollte mehr...

...auf die Besonderheiten der Angebote zur Versorgung psychisch Erkrankter eingehen und PPs und KJPs stärker in die gesundheitspolitschen Felder von Prävention, Bedarfsplanung, Ausbildung und Finanzierung, beispielsweise von Psychotherapeuten in Ausbildung, einbeziehen.

Welche Baustellen gibt es außerdem?

Munz: Die Versorgung psychisch kranker Menschen ist und bleibt eine Herausforderung. Zwar ist in Baden-Württemberg die kassenärztliche ambulante Versorgung im Vergleich zu anderen Bundesländern gut, die Wartezeiten jedoch meist zu lang. Außerdem geht die Vorgabe der Bedarfsplanung des Gemeinsamen Bundesausschusses eher in Richtung Reduktion der Therapeutensitze in Baden-Württemberg. Ein besseres Angebot im ländlichen Bereich wird nicht ausreichen. Die häufige Kostenerstattung für Psychotherapien außerhalb der kassenärztlichen Versorgung durch die Krankenkassen ist ein Hinweis auf die, aufgrund der inadäquaten Bedarfsplanung, mangelhafte Versorgung. Dann muss auch die sektorenübergreifende Versorgung besser gestaltet werden. Zum Beispiel müssen ambulante Therapien auf Angebote von Kliniken zurückgreifen können, um Lücken zum Wohl der Patientinnen und Patienten zu schließen.

Klett: Die Vernetzung der Therapeuten untereinander und mit andern Leistungserbringern im Gesundheitswesen ist häufig noch lokal begrenzt und vom persönlichen Engagement Einzelner abhängig. Da besteht Verbesserungsbedarf, ebenso wie bei der integrierten Versorgung. Vor allem in der Frage der Finanzierung. Die Zerfledderung der Versorgung in selektiv-vertragliche Lösungen kann hierbei nicht die Lösung sein.

Munz: Eine ganz wichtige Baustelle sehe ich auch in der Prävention psychischer Erkrankungen. Mit den "Frühen Hilfen" wurde für Familien ein erster wichtiger Versuch unternommen. Aber auch in Arbeitswelt und Schule müssen wir besser identifizieren, wo es psychisch belastende Bereiche gibt. Das ist gerade in kleinen und mittelständischen Betrieben nicht leicht. Modelle gibt es dazu, aber Psychotherapeuten können bisher präventiv zu wenig eingreifen und helfen.

Welche Aufgaben hat die Kammer bei der Bewältigung des demographischen Wandels?

Munz: Wir müssen vor allem die Fortbildung fördern, um zum Beispiel ältere Patientinnen und Patienten mit ihren Bedürfnissen und Perspektiven besser abholen zu können. Aber nicht nur die künftige psychotherapeutische Versorgung älterer Menschen wird eine wichtige Aufgabe, auch die psychotherapeutische Versorgung junger Patienten, etwa denen mit ADHS, und die Unterstützung von Familien mit psychischen Belastungen ist eine Zukunftsaufgabe. Hier werden viel zu schnell und zu oft Medikamente verordnet und nicht Psychotherapie. Weil unser Berufsstand keine Nachwuchssorgen hat, aber Ärztemangel droht, können die Psychotherapeuten Aufgaben aus dem ärztlichen Bereich übernehmen. Das muss aber auch finanziell gewürdigt werden. Davon und von besseren Aufstiegsmöglichkeiten sind gerade die Angestellten in Kliniken und Reha-Einrichtungen noch weit entfernt.

Klett: Gleichzeitig müssen wir uns bewusst machen, dass knapp 50% der Kolleginnen und Kollegen Psychotherapeuten älter als 55 Jahre sind! Daher werden in den nächsten zehn Jahren viele Praxen übergeben und verkauft. Hier ist eine faire Preisgestaltung notwendig. Die Kammer wird Empfehlungen aussprechen. Bestimmen können wir diesbezüglich nichts.

Was wünschen Sie sich von der neuen Bundesregierung?

Dr. Dietrich Munz und Martin Klett

Munz: Die Reform der Ausbildung wurde ja schon genannt. Die derzeitigen gesetzlichen Einschränkungen der Befugnisse der Psychotherapeuten wie Krankschreibung oder Krankenhauseinweisung sind aufzuheben und die Regierung sollte uns unterstützen, dass in den verschiedenen Institutionen Psychotherapeuten den Fachärzten gleichgestellt werden. Die Regierung kann auch ihren Beitrag dazu leisten, dass psychische Erkrankungen weiter entstigmatisiert werden. Es wäre ein wichtiger Beitrag für die Prävention, wenn hier der psychischen Gesundheit der richtige Stellenwert eingeräumt wird, denn ohne diese ist körperliche Gesundheit immer gefährdet. Auf Landes- und auf Bundesebene müssen die Kammern noch mehr in die gesundheitspolitischen Entscheidungsprozesse einbezogen werden.

Wir hoffen dabei sehr, dass Gesundheitspolitik künftig nicht noch mehr nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten organisiert wird. Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse.

Klett: Wir brauchen eine adäquate Finanzierung unserer Tätigkeit. Die Einkommen der Psychotherapeuten müssen endlich an die Einkommen der anderen Arztgruppen angepasst werden. Psychotherapeutische Behandlungen müssen nach fachlichen Gesichtspunkten durchgeführt werden können und nicht nach Vorgaben der Kassen, die überwiegend an Kosteneinsparmöglichkeiten interessiert sind. Der Versuch der zunehmenden Einflussnahme der Kassen in die Behandlungszimmer muss kritisch hinterfragt werden.

Das Interview führte Kirsten Reuschenbach, Ludwigshafen

 
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