27.11.2013Weichenstellung für die Zukunft der Psychotherapie
23. Deutscher Psychotherapeutentag in Kiel

v.r.n.l.: Kristin Alheit (Gesundheitsministerin), Juliane Dürkop (Präsidentin PtK Schleswig-Holstein)

(BPtK) Am 16. November 2013 fand in Kiel der 23. Deutsche Psychotherapeutentag (DPT) statt. Die Delegierten formulierten ihre Forderungen an die Gesundheitspolitik, vertieften die Diskussion um eine Reform der Psychotherapeutenausbildung und berieten die Anpassung der Musterberufsordnung an die Anforderungen des Patientenrechtegesetzes.

Wertschätzung einer guten psychotherapeutischen Versorgung
Kristin Alheit, Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung in Schleswig-Holstein, begrüßte die Delegierten des 23. DPT in der Landeshauptstadt Kiel. Alheit forderte mehr öffentliche Wertschätzung der Psychotherapeuten angesichts der Bedeutung, die eine gute psychotherapeutische Versorgung für den einzelnen Menschen und die Gesellschaft habe. Die für die Zukunft der Psychotherapie so wichtige Reform der Psychotherapeutenausbildung müsse aus ihrer Sicht auf der Agenda der nächsten Legislaturperiode stehen.

Juliane Dürkop, Präsidentin der Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holstein, begrüßte als Gastgeberin des 23. DPT die Delegierten mit einem „Ahoi“. „Ahoi“ sei ein Gruß, aber auch eine Aufforderung, eine Sache anzupacken und etwas zu bewegen. Sie gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass es in Kiel gelingen möge, die Position der Profession zur Reform der Psychotherapeutenausbildung weiterzuentwickeln.

Unterversorgung und Wartezeiten
Im Bericht des Vorstandes ging Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), auf die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD zu den Themen Gesundheit und Pflege ein. Als positiv wertete er, dass die Gesundheitspolitik die Probleme bei der Versorgung psychisch kranker Menschen sehe. Gesellschaften gingen unterschiedlich mit psychisch erkrankten Menschen um. Noch vor einigen Jahrzehnten seien sie in großen Kliniken auf dem Land versorgt und – so müsse man dies sehen – weggesperrt worden. Heute wisse man zwar, dass psychische Krankheiten erfolgreich behandelbar seien oder dass auch bei chronischen Erkrankungen eine gesellschaftliche Teilhabe möglich sei – nur werden die hierfür erforderlichen Behandlungs- und Betreuungsangebote nicht flächendeckend vorgehalten. Die Akzeptanz dieser Unterversorgung sei ein Skandal. Eine Ausweitung der Kurzzeittherapie könne das Problem der psychotherapeutischen Unterversorgung nicht lösen, denn bereits heute erfolgten mehr als 50 Prozent der Psychotherapien als Kurzzeitbehandlungen.

Verbesserungen in der Versorgung könnten z. B. offene Sprechstunden oder eine bessere Akutversorgung bewirken, sodass Patienten nicht mehr monatelang in der Warteschleife ausharren müssten, sondern schnell ein erstes Gespräch bei einem Psychotherapeuten erhalten. Danach sei es aber notwendig, den Patienten ein passendes Angebot für die weitere Behandlung unterbreiten zu können. Richter schilderte eine mögliche Differenzierung des Leistungsangebots für psychisch kranke Menschen unterhalb der Psychotherapie, das von Bibliotherapie und Selbsthilfe über mediengestützte Interventionen bis zu psychoedukativen Gruppen reiche. Er betonte aber, dass Psychotherapeuten ihren Patienten diese Angebote nur dann empfehlen könnten, wenn Sorgfaltspflichten nicht verletzt würden, wozu auch der Datenschutz gehöre. Vor allem aber bedürfe es einer Flexibilisierung der Psychotherapie-Richtlinie, damit insbesondere Patienten mit chronischen psychischen Erkrankungen und schweren Beeinträchtigungen leitliniengerecht versorgt werden können.


Prof. Dr. Rainer Richter

Um ein erweitertes Spektrum an Leistungsangeboten unterbreiten zu können, müssten Psychotherapeuten, Praxisstrukturen weiterentwickeln können. Dies setze angemessene Rahmenbedingungen voraus. Er hoffe, dass eine neue Bundesregierung, wie immer sie aussehe, die Einschränkung der psychotherapeutischen Befugnisse aufhebe. Er hoffe, dass es zu arztgleichen Medizinischen Versorgungszentren und somit auch psychotherapeutischen Versorgungszentren komme. Vor allen Dingen hoffe er jedoch, dass die Politik die Psychotherapeuten darin unterstützt, eine angemessene Vergütung ihrer Leistungen und eine Abbildung eines erweiterten Leistungsspektrums auch bei der Vergütung zu realisieren. Psychotherapeuten hätten in der Vergangenheit gelernt, dass sie nicht allein auf die Gremien der Selbstverwaltung vertrauen können. Fortschritte – gerade in diesem Punkt – gebe es nur, wenn der Gesetzgeber entscheide, dass er eine differenzierte psychotherapeutische Versorgung wolle.

Reform der Bedarfsplanung weiterhin notwendig
Anpassungen der Praxisstrukturen und der Versorgungsangebote an den Versorgungsbedarf allein könnten die Unterversorgung nicht beheben. Notwendig bleibe ein Ausbau der Versorgungskapazitäten, so Richter. Mit großer Sorge erfülle die BPtK die in den Koalitionsverhandlungen geäußerte Absicht, die Kassenärztlichen Vereinigungen künftig zu verpflichten, in überversorgten Planungsbereichen Praxissitze aufzukaufen. Dies könne für die Psychotherapie einen Kahlschlag bedeuten. Deutschlandweit lägen schätzungsweise 5.000 bis 6.000 Praxissitze über einem rechnerischen Versorgungsgrad von 110 Prozent. Ohne diese Praxissitze sei die Versorgung psychisch kranker Menschen aber in aller Regel nicht sicherzustellen. Selbst im Ruhrgebiet, wo ein Patient durchschnittlich 17 Wochen auf ein Erstgespräch beim Psychotherapeuten warte, würden Sitze als überzählig ausgewiesen. Hintergrund sei, dass es den Entscheidungsträgern bei der letzten Reform der Bedarfsplanung an ausreichendem Reformwillen gemangelt habe. Herausgekommen sei ein „weiter so“. Es sei dabei geblieben, dass die Bedarfsplanung retrospektiv und strukturkonservativ ist. Nur mit einem prospektiven Ansatz könne jedoch der gewachsene Versorgungsbedarf psychisch erkrankter Menschen abgebildet werden. Der mangelnde Reformwille habe dazu geführt, dass die neuen Verhältniszahlen – genauso wie die alten – den wahren Versorgungsbedarf psychisch erkrankter Menschen in keiner Weise widerspiegeln.


Versammlungsleitung (v.l.n.r.): Gabriela Küll, Wolfgang Schreck, Gerd Hoehner

Weichenstellungen für Psychiatrie und Psychosomatik
Professor Richter ging auch auf die Inhalte der Koalitionsvereinbarung zur stationären Versorgung ein. Strittig sei noch, wie es mit dem Pauschalierenden Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP) weitergehe. Wahrscheinlich werde die Kalkulationssystematik, insbesondere die Option eines stärkeren Tagesbezugs, überprüft. Auch eine Verlängerung der Optionsphase stehe zur Debatte, sofern sich herausstelle, dass die Umsetzung schwierig sei oder Fehlanreize gesetzt würden. Alternativ werde aber auch diskutiert, es bis auf Weiteres beim Verfahren der Budgetverhandlungen auf der Basis der Psychiatrie-Personalverordnung zu belassen.

Richter erinnerte daran, dass die BPtK für eine zielorientierte Weiterentwicklung des PEPP eintrete. Hintergrund sei, dass die aktuellen Budgetverhandlungen in der Psychiatrie und Psychosomatik auf der veralteten Psychiatrie-Personalverordnung basierten, in der Psychotherapeuten gar nicht vorkämen. Zudem sei die Umsetzung der Psychiatrie-Personalverordnung in den Häusern genauso wie die Budgetsituation ausgesprochen heterogen. Das neue Vergütungssystem biete die Chance, dass drei zentrale Ziele realisiert würden, so Richter:

Natürlich sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht sicher, dass das PEPP diese Ziele auch alle erreiche. Sicher sei aber, dass das alte Vergütungssystem sie verfehle.

Richter mahnte ausdrücklich Schritte an um, die ambulante Versorgung von psychisch kranken Menschen mit besonderem Behandlungsbedarf zu verbessern. Derzeit würden diese Patienten viel zu häufig stationär versorgt, weil es im ambulanten Bereich kein flächendeckendes Angebot gebe, das ihrem komplexen Behandlungsbedarf gerecht werde.

Theresia Köthke
Theresia Köthke
Cornelia Beeking
Cornelia Beeking
Karl-Wilhelm Höffler
Karl-Wilhelm Höffler

Resolutionen zur Gesundheitspolitik
Die Delegierten des 23. DPT verabschiedeten zwei Resolutionen zur aktuellen Gesundheitspolitik. In einer Resolution forderten sie die Gesundheitspolitik auf, die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen zu verbessern.

Benjamin Lemke
Benjamin Lemke

In der zweiten Resolution fassten die Delegierten ihre Forderungen zur Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für die psychotherapeutische Tätigkeit zusammen. Mit Sorge sahen die Delegierten die Pläne, die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) in einen hausärztlichen und fachärztlichen Bereich zu sektionieren. Dies werde das KV-System insgesamt schwächen und führe zu einer weiteren Begrenzung des Einflusses der Psychotherapeuten.

Bundeskonferenz PiA
Bei der Aussprache zum Bericht des Vorstandes stellten sich Benjamin Lemke, neu gewählter Sprecher der Bundeskonferenz der Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA), und seine beiden Stellvertreter, Theresia Köthke und Sven Baumann, vor. Lemke bedankte sich beim BPtK-Vorstand dafür, dass mit der Bundeskonferenz PiA eine Struktur geschaffen worden sei, die es den PiA ermögliche, ihre Interessen im Kontext der BPtK zu vertreten und den Vorstand zu beraten. Außerdem begrüßte er, dass bei der Angestelltenbefragung auch die PiA einbezogen worden seien.

Auswertung der Angestelltenbefragung
BPtK-Vizepräsident Dr. Dietrich Munz stellte dem 23. Deutschen Psychotherapeutentag einige zentrale Ergebnisse der Angestelltenbefragung vor. Auf besonderes Interesse der Delegierten stieß, dass gut die Hälfte der im Krankenhaus tätigen Psychotherapeuten Leitungs- und Führungsaufgaben übernimmt und dieser Anteil im Bereich der Rehabilitation noch einmal höher liegt. Die Befragung zeige – so Munz – aber auch, dass sich diese Leitungsaufgaben nur selten formal und in Bezug auf die Vergütung niederschlagen. Während im Krankenhaus eindeutig Verhaltenstherapie und tiefenpsychologisch fundierte Therapie als Psychotherapieverfahren dominieren, setzt ein erheblicher Teil der in Beratungsstellen tätigen Psychotherapeuten die Systemische Therapie bzw. Gesprächspsychotherapie ein. Munz skizzierte auch das weitere Vorgehen.

Er informierte die Delegierten darüber, dass auf der Basis des Bundesberichtes möglichst kurzfristig die Berichte für die Landespsychotherapeutenkammern erstellt würden und dass die BPtK anschließend mit der themenspezifischen Auswertung der Daten der Angestelltenbefragung beginnen werde. Prioritär sei dabei u. a. das Thema der Empfehlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) für die Ausstattung der stationären Einrichtungen mit therapeutischem Personal.

Dr. Nikolaus Melcop
Dr. Nikolaus Melcop

Reform der Psychotherapeutenausbildung
Dr. Nikolaus Melcop, Michael Krenz und Prof. Rainer Richter berichteten für die gemeinsame Arbeitsgruppe des Länderrats und des BPtK-Vorstandes über die Umsetzung der Beschlüsse des 22. DPT. Dr. Melcop, Präsident der Psychotherapeutenkammer Bayern, schilderte den zurückliegenden Arbeitsprozess. In einer ersten Sitzung der AG und des Vorstandes seien konzeptionelle Überlegungen sowie erste Arbeitsschritte zur Durchführung eines strukturierten Dialogs abgestimmt worden. Auf Basis dieser Vorarbeiten habe dann am 15. Oktober 2013 eine Anhörung zum Berufsbild und zu Kompetenzprofilen von Psychotherapeuten von Vertretern der Hochschulen, der Ausbildungsstätten sowie Vertretern von bereits laufenden, exemplarischen Studiengängen mit einer Ausbauoption zu einer Direktausbildung stattgefunden. Dieser Dialog zwischen der AG, dem Vorstand und den für das Studium und die Ausbildung Verantwortlichen sei „überfällig, mit oder ohne Reform“ gewesen. Weitere Anhörungen seien geplant. Ziel sei es, möglichst breit einen strukturierten Dialog zu führen und bei den zentralen Themen zu gemeinsamen Positionen zu gelangen. Diese seien das künftige Berufsbild von Psychotherapeuten, die daraus abgeleiteten Kompetenzen und Kompetenzniveaus, die Finanzierung und die angemessene Vergütung während der Aus- bzw. Weiterbildung. Dies gelinge bisher in dem geschaffenen „vertrauensvollen und überschaubaren Rahmen“ gut. Man führe intensive und sachbezogene Gespräche.

Michael Krenz
Michael Krenz

Michael Krenz, Präsident der Psychotherapeutenkammer Berlin, stellte die bisher erarbeiteten Eckpunkte eines Berufsbildes der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten vor. Er schilderte, wie seit der Vorlage für den letzten DPT Ergänzungen und Änderungen vorgenommen worden seien, und konzentrierte sich insbesondere auf die neue Präambel. In der Präambel würden noch einmal wichtige Eckpunkte für eine Reform der Psychotherapeutenausbildung festgehalten. Natürlich gebe es unterschiedliche Standpunkte, so Krenz. Das sei unvermeidlich – schon aufgrund der unterschiedlichen Konzeptualisierungen von Psychotherapie. Der jetzt begonnene Diskussionsprozess suche die Antwort auf die Frage „Wie bekommen wir das zusammen?“. Aus seiner Sicht zeige das Berufsbild inklusive der Präambel, dass dies gelingen könne.

Prof. Dr. Rainer Richter
Prof. Dr. Rainer Richter

BPtK-Präsident Richter erläuterte die nächsten Arbeitsschritte, die sich die AG des Länderrats und der Vorstand der BPtK vorgenommen haben. Auf der Basis des vom DPT diskutierten Berufsbildes wolle man jetzt psychotherapeutische Kompetenzen und Kompetenzniveaus ableiten. Dies werde man anhand einer Matrix diskutieren und verdichten. Als Kompetenzniveaus wolle man die drei Stufen „grundlegend“, „fortgeschritten“ und „professional“ unterscheiden. Bezüglich der Kompetenzbereiche werde man unterscheiden zwischen Faktenwissen, Handlungs- und Begründungswissen sowie Handlungskompetenz und professioneller Haltung. Die Zellen einer solchen 3x3-Matrix würden dann mit konkreten Kompetenzen gefüllt. Anhand der Matrix könne schließlich z. B. diskutiert werden, über welches Kompetenzprofil ein angehender Psychotherapeut am Ende des Studiums verfügen solle oder könne, um anschließend eine Aus- oder Weiterbildung zu absolvieren. Man erhalte quasi eine Blaupause, anhand derer man beraten könne, welche psychotherapeutischen Kompetenzen zu welchem Zeitpunkt der postgradualen Ausbildung oder der Direktausbildung mit anschließender Weiterbildung zu erreichen seien.

Die Delegierten äußerten sich umfassend positiv zu den bisher erreichten Fortschritten. Das differenzierte und präzise Berufsbild traf auf Zustimmung. Auch die Bestimmung der Kompetenzen und des Kompetenzniveaus mittels einer Matrix erschien den Delegierten zielführend. Dies sei „eine wirklich gute Entwicklung“. Systeme hätten eher die Tendenz, sich selbst zu erhalten und Änderung zu verhindern. Dass der begonnene produktive Prozess Veränderungsbereitschaft bei allen Beteiligten bewirke, sei sehr zu begrüßen.

Barbara Lubisch
Barbara Lubisch
Anni Michelmann
Anni Michelmann
Gertrud Corman-Bergau
Gertrud Corman-Bergau

Einige Delegierte gaben zu bedenken, dass Psychotherapie eine professionelle Haltung erfordere, die sich nicht allein über Kompetenzen beschreiben lasse. Notwendig sei ein Bildungsprozess, der zu einer psychotherapeutischen Haltung führe, die sich nicht aus der Addition der Kompetenzen ergebe. Delegierte betonten, dass der entscheidende Schritt sein werde, anhand dieser Matrix zu diskutieren, ob es bei einer postgradualen Ausbildung bleiben solle oder ob die Option eines Direktstudiums mit darauf aufbauender Weiterbildung der richtige Weg sei. Vor dem Hintergrund, dass die Reform der Psychotherapeutenausbildung nach vielen Jahren vergeblichen Wartens endlich auf der politischen Agenda stehe, baten die Delegierten des 23. DPT die AG des Länderrates und den Vorstand der BPtK, den eingeschlagenen Weg zügig fortzusetzen.

Hermann Schürmann
Hermann Schürmann
Dr. Andrea Benecke
Dr. Andrea Benecke

Patientenrechtegesetz und Musterberufsordnung
Für den BPtK-Vorstand erläuterte Andrea Mrazek den Hintergrund der Änderungsanträge zur Musterberufsordnung. Ausgangspunkt der Vorschläge sei das Patientenrechtegesetz, das seit Frühjahr 2013 in Kraft sei. Mrazek plädierte dafür, das Patientenrechtegesetz nicht als berufsexterne Vorgabe oder gar als bürokratisches Korsett zu werten, das Psychotherapeuten gängele. Vielmehr sei es wichtig zu sehen, dass den juristisch formulierten Patientenrechten ein Verständnis vom Menschen zugrunde liege, das Psychotherapeuten grundsätzlich zu Eigen sei.

Andrea Mrazek
Andrea Mrazek

Autonomie und Selbstbestimmung der Patienten
Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten förderten die Autonomie ihrer Patienten in der Therapie und stärkten die Patienten in der Wahrnehmung ihrer Lebensinteressen. Nicht zuletzt aufgrund dieser eindeutigen Positionierung hätten Psychotherapeuten ein hohes Ansehen, so Mrazek. Die Menschen verließen sich darauf, dass Psychotherapeuten das Wohl ihrer Patienten förderten – individuell und gesellschaftlich – und eigene Interessen dabei zurückstellten. In der Psychotherapie seien Psychotherapeuten aufgrund der nahen personalen Beziehung und dem besonderen Schutzraum, für den sie als Psychotherapeuten verantwortlich seien, aufgerufen, besonders sorgfältig und achtsam mit der Würde und auch der Selbstbestimmung ihrer Patienten umzugehen.

Daher sei den Psychotherapeuten das Patientenbild, das dem Patientenrechtegesetz zugrunde liege, alles andere als fremd. Deshalb hätten sich Psychotherapeuten auch bei den Beratungen des Patientenrechtegesetzes sehr dafür eingesetzt, dass psychisch kranke Menschen die gleichen Rechte haben wie somatisch kranke Menschen. Die Vermeidung von Unterschieden sei ein Beitrag zur Entstigmatisierung psychisch kranker Menschen.

Einsichtnahmerecht von Patientinnen und Patienten
Der Antrag des Vorstandes zum Einsichtnahmerecht in die Behandlungsdokumente gehe davon aus, dass Kammermitglieder von ihrer Berufsordnung erwarten müssten und erwarten dürften, dass sie inhaltlich fachlichen und ethischen Grundsätzen entspreche. Dies sei gewährleistet, wenn sich der von der Profession selbst definierte berufsrechtliche Rahmen in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben befinde; in diesem Fall mit den Vorgaben des Patientenrechtegesetzes. Das Patientenrechtegesetz formuliere in § 630g Absatz 1 Satz 1 BGB eindeutig: „Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen“. Wenn sich dieser Text in der Musterberufsordnung wiederfinde, werde Rechtssicherheit hergestellt. In der Begründung zur Musterberufsordnung könne man darstellen, dass Angehörige der Profession ihre Persönlichkeitsrechte aufgrund der von ihnen in der Patientendokumentation vorgenommenen persönlichen Aufzeichnungen gefährdet sehen.

Dr. Bruno Waldvogel
Dr. Bruno Waldvogel
Susanne Walz-Pawlita
Susanne Walz-Pawlita
Hans Bauer
Hans Bauer

Alterantiv beantragte eine Gruppe von Delegierten, in der Musterberufsordnung selbst festzuhalten, dass die Verweigerung der Einsichtnahme im Einzelfall zwar einen zivilrechtlichen, nicht jedoch einen berufsrechtlichen Verstoß darstelle. Es sei davon auszugehen, dass es letztlich nicht auszuschließen sei, dass in Einzelfällen ein Überwiegen des Persönlichkeitsrechts der Psychotherapeuten über das Informationsrecht des Patienten gerichtlich anerkannt werde. Im Hinblick auf eine zu erwartende und auch erforderliche gerichtliche Überprüfung wäre es ein ungünstiges Signal, wenn die Profession bereits vorab auf Rechte der Berufsangehörigen in ihrer eigenen Berufsordnung selbstständig und uneingeschränkt verzichte. Vielmehr solle die Profession sowohl in staatsbürgerlicher als auch in rechtspolitischer Hinsicht deutlich signalisieren, dass sie der pauschalen und vollständigen Negierung dieses Persönlichkeitsrechts nicht zustimme. Es stehe der Profession zu, bei der von den Kammern zu bewertenden Fragen nach einem berufsrechtlich zu ahnenden Verstoß auch die Rechtsposition der Mitglieder zu berücksichtigen, welche im Wortlaut des BGB nicht ausreichend berücksichtigt werde. Es reiche nicht aus, die Möglichkeit einer Einsichtnahmebeschränkung nur in der Begründung zur Musterberufsordnung anzuerkennen, da diese faktisch ohne Außenwirkung und rechtlich deshalb von geringem Belang sei. Das Problem der Rechtsunsicherheit für Kammermitglieder und Patienten müsse angesichts dieser Überlegungen als sekundär eingeschätzt werden.

Im DPT entspann sich eine intensive Diskussion zu den alternativen Positionen. Ein Teil der Delegierten plädierte für eine klare Regelung in der Musterberufsordnung, um kein falsches Signal an die Kammermitglieder zu senden, denn für diese seien in aller Regel die Berufsordnungen handlungsleitend. Wenn die Berufsordnung suggeriere, man habe das Recht, seinem Patienten aus persönlichen Gründen die Einsicht zu verweigern, dann sei dies ein falsches Signal, da die Patienten die Einsichtnahme rechtlich durchsetzen könnten. Es stelle für Psychotherapeuten keine relevante Entlastung dar, wenn sie im Falle einer Verweigerung der Einsichtnahme mit Verweis auf ihre Persönlichkeitsrechte zwar nicht gegen das Berufsrecht, dafür aber eindeutig gegen das Zivilrecht verstoßen würden.

Dem wurde entgegengehalten, dass es ein Spannungsverhältnis zwischen dem Einsichtnahmerecht des Patienten und dem Persönlichkeitsrecht des Psychotherapeuten gebe. Letzterem dürfe man sein Grundrecht nicht in Abrede stellen. Einige Delegierte betonten, dass sie in ihrer Behandlungsdokumentation Aufzeichnungen machten, die hilfreich seien für die Supervision. Sie würden ungern auf dieses wichtige Hilfsmittel verzichten, würden sich jedoch dazu gezwungen sehen, wenn der Patient uneingeschränkte Einsicht in die Behandlungsdokumentation erhalte. Dem wurde entgegnet, dass mit einer Regelung im Berufsrecht der Schutz des Persönlichkeitsrechts von Psychotherapeuten nicht gegeben sei. Es gelte das Patientenrechtegesetz und danach habe der Patient ein uneingeschränktes Einsichtnahmerecht und dieses Recht könne man dem Patienten durch Regelungen in der Berufsordnung der Psychotherapeuten nicht nehmen. Es sei Aufgabe der Kammern, ihre Mitglieder vor falschen Annahmen zu schützen, weshalb man für eine rechtssichere Lösung plädiere.


Monika Konitzer, Prof. Dr. Rainer Richter

Da dies ein folgenschweres Thema für Patienten und Psychotherapeuten sei, schlug der BPtK-Vorstand vor, die Anträge nicht mit knappen Mehrheiten zu entscheiden, sondern beide Anträge an den Vorstand zu überweisen. Dieser werde sich zusammen mit den Antragstellern bemühen, für den nächsten DPT eine Lösung zu erarbeiten, die sicherstellen könne, dass die Persönlichkeitsrechte der Psychotherapeuten gewahrt blieben, dass Rechtssicherheit für Psychotherapeuten geschaffen werde und dass Autonomie und Selbstbestimmung der Patienten anerkannt werden. Der DPT folgte diesem Antrag. Die anderen Anträge des Vorstandes zur Anpassung der Musterberufsordnung an das Patientenrechtegesetz wurden vom DPT mit großer Mehrheit angenommen.

Jahresabschluss zum Haushaltsjahr 2012
Rudolf Bittner als Vorsitzender des Finanzausschusses und Dr. Munz als Vizepräsident der BPtK erläuterten dem 23. DPT den Jahresabschluss des Haushaltsjahres 2012. Der DPT entlastete einstimmig den Vorstand der BPtK für das Haushaltsjahr 2012.

Rudolf Bittner
Rudolf Bittner
Dr. Dietrich Munz
Dr. Dietrich Munz

Haushaltsplanung 2014
Dr. Munz erläuterte dem 23. DPT die Haushaltsplanung der BPtK für das Jahr 2014. Bittner erläuterte die Empfehlung des Finanzausschusses, der Haushaltsplanung 2014 in der vom Vorstand vorgelegten Form zuzustimmen. Der DPT folgte diesem Votum einstimmig.

Änderungen der Entschädigungs- und Reisekostenordnung der BPtK
Die Delegierten stimmten einstimmig einer Änderung der Entschädigungs- und Reisekostenänderung der BPK zu.

Qualitätsstandards in der Ausbildung
Zum Schluss seiner Beratungen verabschiedete der DPT eine Resolution zu Transparenz und gesicherter Qualität in der Ausbildung. Mit der Resolution begrüßt der DPT eine Initiative zur Weiterentwicklung und Transparenz der Qualitätsstandards in der Ausbildung von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und Psychologischen Psychotherapeuten.


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