27. Deutscher Psychotherapeutentag in Stuttgart

Versorgung psychisch kranker Flüchtlinge sicherstellen

(BPtK)

Eine patientenorientierte Weiterentwicklung der Psychotherapie-Richtlinien, eine zügige Verbesserung der Versorgungsqualität in der stationären Versorgung sowie eine angemessene Vergütung psychotherapeutischer Leistungen - das waren die zentralen Forderungen des 27. Deutschen Psychotherapeutentages (DPT) am 14. November in Stuttgart. Ein besonderes Anliegen war dem DPT, die psychotherapeutische Versorgung psychisch kranker Flüchtlinge in allen Altersstufen sicherzustellen.

v.l.n.r.: Katrin Altpeter, Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren des Landes Baden-Württemberg, Dr. Dietrich Munz, Präsident der BPtK und LPK Baden-Württemberg

Spezialisierung nicht zu früh beginnen

Katrin Altpeter, Arbeits- und Sozialministerin von Baden-Württemberg, begrüßte die Delegierten. Sie ging insbesondere auf die anstehende Reform des Psychotherapeutengesetzes ein. Die Psychotherapie sei ein relativ junges Gebiet der akademischen Heilkunde. Aufgrund der substantiellen Weiterentwicklungen der vergangenen Jahre sei für sie eine Reform der Psychotherapeutenausbildung nur folgerichtig. Dabei komme es darauf an, die Spezialisierungen in einem Psychotherapiestudium nicht zu früh zu beginnen, um junge Menschen mit den Richtungsentscheidungen, die damit zu treffen sind, nicht zu überlasten.

Viel spreche dafür, sich bei der Psychotherapeutenausbildung am Medizinstudium zu orientieren. Das Staatsexamen habe sich als Garant für Qualität bewährt. Gleichzeitig müsse man der Bologna-Systematik Rechnung tragen. Auch hier gebe es durchaus positive Erfahrungen. Letztlich müsse die Patientensicherheit im Mittelpunkt der Überlegungen stehen. Es werde darauf ankommen, Wissenschaft und Praxis in der Hochschulausbildung adäquat abzubilden. Das sei zwingend, um eine Approbation zu erteilen und stelle eine große Herausforderung für die Hochschulen dar. Sie sei sehr optimistisch, dass hier eine Lösung gefunden werde.

Ausdrücklich begrüßte die Ministerin die Initiative der Bundesärztekammer und der Bundespsychotherapeutenkammer, in einem Modellprojekt den Einsatz von Dolmetschern in der Versorgung psychisch kranker Flüchtlinge zu erproben und zu finanzieren. Auch wenn die sichtbaren Wunden der Flüchtlinge geheilt seien, könne man das von den Seelen häufig noch lange nicht sagen.

Kooperation der Heilberufekammern

In seinem Grußwort berichtete Dr. Dietrich Munz als Präsident der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg über die Kooperation der Heilberufekammern in Baden-Württemberg. Es sei gelungen, sich regelmäßig über gemeinsame Ziele auszutauschen und gemeinsame Initiativen zu deren Umsetzung zu ergreifen. So habe man dem Baden-Württembergischen Sozialministerium einen gemeinsamen Katalog zu den erforderlichen Änderungen im Heilberufekammergesetz vorgelegt. Man bemühe sich gemeinsam und abgestimmt darum, die Versorgung von Flüchtlingen in Baden-Württemberg zu organisieren. Da, wo man keine gemeinsamen Forderungen habe, gelinge es, die Differenzen zwischen den Landeskammern gegenüber dem Ministerium darzustellen und mit dem Ministerium und der Politik im gegenseitigen Respekt zu diskutieren. Es habe sich als sehr hilfreich erwiesen, dass die Heilberufekammern sich frühzeitig untereinander absprechen und wo es möglich ist, ihre Positionen gemeinsam darlegen und Entschlossenheit zeigen.

Dr. Dietrich Munz
Prof. Dr. Rainer Richter

Psychotherapie-Richtlinie patientenorientiert weiterentwickeln

Im Bericht des Vorstandes machte BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz deutlich, dass der Gesetzgeber zwar beschlossen habe, die Psychotherapie-Richtlinien weiterzuentwickeln, indem er z. B. die Einführung einer psychotherapeutischen Sprechstunde vorgesehen habe.

Dafür müsste der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) jedoch den gesetzlichen Auftrag in konkrete Beschlüsse umsetzen. Letztlich entscheide der G-BA, ob Psychotherapeuten künftig eine breitere und differenziertere Versorgung anbieten können.

Es gebe Bestrebungen der Krankenkassen, dies im G-BA zu verhindern. Danach schlügen die Kassen vor, dass die psychotherapeutische Sprechstunde von Hausärzten im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung übernommen werden solle. Andere Vorschläge sähen vor, die psychotherapeutische Sprechstunde an eine somatische Abklärung zu koppeln. Das bedeutete, dass Psychotherapeuten ihren Patienten zusätzliche Termine aufnötigen müssten, die zu diesem Zeitpunkt vollkommen überflüssig seien. Es dränge sich der Eindruck auf, dass Krankenkassen beabsichtigten, psychotherapeutische Sprechstunden ohne Psychotherapeuten einzuführen. Damit ignorierten sie allerdings, dass der Gesetzgeber mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz ausdrücklich den Zugang zum Psychotherapeuten erleichtern wollte.

Rudi Bittner

Delegierte berichteten von intensiven Diskussionen der Kammermitglieder über die Ausgestaltung der Sprechstunden. Es gebe Kollegen, die bereits unter den jetzigen Bedingungen versuchten, Sprechstunden anzubieten. Es zeige sich, dass unterschiedliche Praxisstrukturen zu unterschiedlichen Sprechstundenkonzepten führen. Die Delegierten baten den Vorstand, diese Expertise in die Entwicklung von Sprechstundenkonzepten mit einzubeziehen und einen Erfahrungs- und Informationsaustausch zu organisieren.

Psychotherapeutische Honorare angemessen anpassen

BPtK-Präsident Dr. Munz kritisierte den Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Anpassung psychotherapeutischer Honorare. Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) und Krankenkassen seien offensichtlich nicht bereit, den Psychotherapeuten ihr Mindesthonorar zu zahlen. Dr. Munz kritisierte insbesondere das Konzept des Zuschlags, den es für mit genehmigungspflichtigen Leistungen stark ausgelastete Praxen ausschließlich für eben diese genehmigungspflichtigen Leistungen geben solle. Alle psychotherapeutischen Praxen, die in diesem Umfang keine genehmigungspflichtigen Leistungen anböten, müssten daher einen Abschlag auf ihr gesamtes Leistungsspektrum hinnehmen, da ihre Betriebsausgaben nicht mehr refinanziert würden. Dr. Munz berichtete dem DPT, dass die BPtK das Bundesgesundheitsministerium aufgefordert habe, den Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses zu beanstanden.

Anni Michelmann

Delegierte begrüßten diese Initiative der BPtK und beschrieben ihre Honorarsituation als "unsäglichen Zustand". Die Delegierten des DPT unterstützen das Anliegen mit einer einstimmig verabschiedeten Resolution.

Qualität in Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik sichern Psychisch kranke Menschen treffen - erläuterte Dr. Munz - aktuell in vielen Kliniken auf eine pflegerische Unterversorgung, da die Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) insbesondere im Bereich der Pflege nicht umgesetzt werde. Ursache sei vor allem, dass die Personalanforderungen der Psych-PV nicht verbindlich seien. Hinzu komme die psychotherapeutische Unterversorgung aufgrund der veralteten Vorgaben der Psych-PV. Es sei daher sehr bedauerlich, dass es der G-BA nicht schaffe, bis Ende 2017 neue Personalstandards für Psychiatrie und Psychosomatik zu entwickeln, was eigentlich sein Auftrag gewesen sei.

Die BPtK halte es für wahrscheinlich, dass es Anfang 2016 zu einem weiteren Gesetzesverfahren für den Bereich der Psychiatrie und Psychosomatik kommen werde, berichtete Dr. Munz. Dabei müsse klargestellt werden, dass aus den Personalanforderungen des G-BA verbindliche Vorgaben für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen werden. Die BPtK fordere außerdem, dem G-BA nur ein weiteres Jahr für die Entwicklung von Personalstandards einzuräumen. Bis Ende 2017 müsse der G-BA seinem Auftrag nachkommen. Jedes Jahr länger mit veralteten und nicht erfüllten Personalstandards bedeute ein Jahr länger pflegerische und psychotherapeutische Unterversorgung. Außerdem müsse den Kliniken die Option eingeräumt werden, für die neuen Personalstandards die notwendigen Mittel nachzuverhandeln. Dies müsse vor Beginn der budgetneutralen Phase und dem verbindlichen Umstieg auf das PEPP-System erfolgen. Die BPtK werde sich im Übrigen für ein Hybridsystem einsetzen. Den Kliniken müsse zusätzlich zu den geplanten Tagespauschalen des PEPP die Möglichkeit eingeräumt werden, individuelle Zuschläge für ihre Häuser zu verhandeln, z. B. für Angebote sektorenübergreifender Versorgung. Die Delegierten unterstützten auch hier die Arbeit des Vorstandes durch eine einstimmig verabschiedete Resolution.

Dr. Dietrich Munz

Psychisch kranke Flüchtlinge versorgen

Große Zustimmung fand der BPtK-Vorstand auch für sein Engagement zur besseren Versorgung psychisch kranker Flüchtlinge. Dr. Munz berichtete, dass die BPtK gemeinsam mit der Bundesärztekammer ein Modellprojekt entwickelt und dem Bundesgesundheitsministerium vorschlagen habe. Damit solle sowohl die psychotherapeutische Versorgung von Flüchtlingen erprobt als auch ein bundesweiter Dolmetscherpool aufgebaut werden. Auch die Gesundheits- und die Integrationsministerkonferenz hatten einstimmig gefordert, den Einsatz von Dolmetschern in der psychotherapeutischen Behandlung in einem Modellprojekt zu erproben. Außerdem habe die BPtK sich dafür stark gemacht, dass Teile des Modellprojektes über den Innovationsfonds gefördert werden. Die Bundesregierung hatte diesen Innovationsfond mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz beim G-BA eingerichtet.

Peter Lehndorfer

Viele Delegierte berichteten über das Engagement der Psychotherapeuten in ihren Landespsychotherapeutenkammern und baten den BPtK-Vorstand, sich weiter für Rahmenbedingungen einzusetzen, die es den Psychotherapeuten erlauben, psychisch kranke Flüchtlinge angemessen zu versorgen. Als wichtigen Fortschritt bezeichneten die Delegierten, dass die Zulassungsausschüsse nun verpflichtet seien, für Psychotherapeuten und psychosoziale Zentren Ermächtigungen für die Versorgung psychisch kranker Menschen zu erteilen. Problematisch sei, dass dies bei vielen Zulassungsausschüssen noch nicht angekommen sei.

Der DPT verabschiedete einstimmig eine von einer Delegierten vorgelegte Resolution zur psychotherapeutischen Versorgung von Flüchtlingen, Flüchtlingsfamilien und minderjährigen Flüchtlingen.

Psychotherapeutengesetz reformieren

Die Mitglieder des BPtK-Vorstandes erläuterten den Delegierten des 27. DPT den Stand der Arbeiten im Projekt Transition.

Dr. Nikolaus Melcop

Dazu lagen als erste Arbeitsergebnisse Eckpunkte für ein Approbationsstudium und ein Papier zu kompetenzbasierten Ausbildungszielen vor. Der Vorstand machte deutlich, dass es auf der Basis dieser Papiere nun darauf ankomme, die Inhalte einer Approbationsordnung herauszuarbeiten. Parallel dazu solle beschrieben werden, welche Inhalte in welchen Strukturen und Verfahren in der Weiterbildung zu vermitteln sind. Der Vorstand gab sich zuversichtlich, dass für den 28. DPT weitere Bausteine in diskussionsfähigen Entwürfen präsentiert werden können. Er dankte den vielen am Projekt Transition Beteiligten für ihr Engagement und ihre Bereitschaft, teilweise sehr kurzfristig ihre Expertise einzubringen.

Die Delegierten des 27. DPT begrüßten das transparente und partizipative Vorgehen des Vorstands beim Projekt Transition. Sie baten den Vorstand, auch einen Fokus auf strukturelle Bedingungen in der Weiterbildung zu legen. Wichtig waren den Delegierten auch der Praxisbezug während der Ausbildung sowie ausreichende Möglichkeiten zur Selbsterfahrung und Supervision in dieser Qualifizierungsphase. Unter dem Beifall der Delegierten fasste Dr. Munz die Debatte des DPT wie folgt zusammen: "Die heutige Diskussion und der bisherige Verlauf des Transitionsprojekts haben uns gezeigt und bestätigt, dass der DPT diesen Prozess mitträgt und weiter befördert. Der Vorstand und die Bund-Länder-AG werden das Projekt Transition auf der Grundlage des Beschlusses des 25. DPT und den bisher erarbeiteten Zwischenergebnissen, also den Eckpunkten zum Approbationsstudium und den kompetenzbasierten Ausbildungszielen des Approbationsstudiums sowie unter Berücksichtigung und Einbezug der heutigen Diskussion, weiterführen".

Michaela Willhauck-Fojkar

Frauen in den Psychotherapeutenkammern fördern

Bis zum übernächsten DPT will der Vorstand der BPtK ein Konzept vorlegen, wie der hohe Frauenanteil in der Profession besser in den Gremien der BPtK und der Landespsychotherapeutenkammern repräsentiert werden kann.

Ausgangspunkt war eine Folie, die zeigte, wie hoch der Anteil von Frauen bei den Kammermitgliedern ist und wie wenig sich das in den Gremien der Kammern auf Landes- und Bundesebene widerspiegelt.

Ein von vielen Delegierten getragener Antrag machte dies zum Thema des DPT. Es gehe darum, zu analysieren, welche Strukturen Frauen behindern oder sie zögern lassen, sich verstärkt in die Kammerarbeit einzubringen. Es gebe viele Beispiele aus anderen Bereichen der Gesellschaft, wie man diese Aufgabe erfolgreich angehen könne.

Anzahl der Delegierten verringern

Dem 26. DPT im April 2015 hatten im Kontext einer geplanten Satzungsänderung der BPtK Anträge vorgelegen, die Anzahl der Delegierten der Deutschen Psychotherapeutentage zu begrenzen. Eine Kommission des Länderrats, des Vorstandes der BPtK und der Antragsteller hatte deshalb einen Vorschlag erarbeitet, dessen Ziel es ist, die Anzahl der Delegierten auf den Deutschen Psychotherapeutentagen auf 120 zu verringern.

Künftig solle ferner bei der kammerspezifischen Festlegung der Delegiertenzahl eine mit der Beitragszahlung an die BPtK konsistente Lösung gesucht werden. Die Kommission bat die Delegierten, den Vorschlag in ihren Kammern zu diskutieren, damit der 28. DPT im Frühjahr 2016 in dieser Sache einen Beschluss fassen könne.

Versammlungsleitung neu gewählt

Turnusmäßig wählte der DPT seine Versammlungsleitung neu. Da Wolfgang Schreck, der seit dem ersten DPT in der Versammlungsleitung der Deutschen Psychotherapeutentage tätig war, nun Mitglied des BPtK-Vorstandes ist, konnte er für das Amt der Versammlungsleitung nicht mehr kandidieren.

v.l.n.r.: Wolfgang Schreck, Gabriela Küll, Benedikt Waldherr (verabschiedete Versammlungsleitung)

Herr Schreck bedankte sich bei den Delegierten für die "wunderbare Zeit". Auch Benedikt Waldherr stand für das Amt nicht mehr zur Verfügung. Der DPT wählte als neue Versammlungsleitung Birgit Gorgas (PP), Delegierte der bayerischen Landespsychotherapeutenkammer. Als ihre Stellvertreter wählte der DPT Juliane Dürkop (PP), Delegierte der Schleswig-Holsteinischen Landespsychotherapeutenkammer, und Johannes Weisang (KJP), Delegierter der Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer.

Frau Gorgas als neugewählte Versammlungsleitung dankte den Delegierten für das ihr, ihrer Kollegin und ihrem Kollegen entgegengebrachte Vertrauen. Alle Instrumente für einen gelingenden DPT lägen letztlich in den Händen der Delegierten. Diese könnten durch die Gestaltung ihrer Redebeiträge und durch Anträge die Versammlung steuern. Der Souverän seien die Delegierten der Deutschen Psychotherapeutentage. Es sei ihr Ziel, diese gemeinsam mit ihren Stellvertretern nach Kräften dabei zu unterstützen.

Haushalt 2016 beschlossen

Die Delegierten beschlossen einstimmig die Entlastung des Vorstandes für das Haushaltsjahr 2014. Einstimmig fiel auch der Beschluss über die Verwendung des Überschusses aus dem Haushaltsjahr 2014. Der insbesondere für die Finanzierung des Projektes "Transition" notwendig gewordene Nachtragshaushalt 2015 wurde mit elf Ja- und einer Nein-Stimme durch die Psychotherapeutenkammern gebilligt. Auch dem Haushalt 2016 wurde von elf der zwölf Psychotherapeutenkammern zugestimmt.

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