„Die Tageskliniken und Ambulanzen sind bereits geschlossen“

Erfahrungsbericht 1: Andreas Gilcher, Rhein-Mosel-Fachklinik in Andernach

(BPtK)

Die Bundespsychotherapeutenkammer startet eine Serie mit Erfahrungen von Psychotherapeut*innen während der Coronakrise. Heute beschreibt Andreas Gilcher, wie sich die Rhein-Mosel-Fachklinik in Andernach in der er als Psychotherapeut in leitender Position arbeitet, darauf vorbereitet, trotz Ansteckungsgefahr die Versorgung aufrecht erhalten zu können.

Aus dem Dilemma gab es keinen anderen Ausweg: In die Tageskliniken kamen täglich viele der psychisch kranken Patient*innen von außerhalb. Das Risiko, dass sie das Coronavirus in das Krankenhaus trugen, war zu groß. In den Räumen für Gruppentherapie war der notwendige 2-Meter-Abstand nicht einzuhalten, die Räume für die Sporttherapie waren zu klein und auch beim Mittagessen saßen die Patient*innen zu eng nebeneinander. Es blieb nur ein Ausweg: Die sieben Tageskliniken der Rhein-Mosel-Fachklinik Andernach mussten schließen. „Die Ansteckungsgefahr war zu groß“, erklärt Andreas Gilcher, Psychologischer Psychotherapeut und Leitender Psychologe der Klinik.

Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen berieten: Wer konnte ambulant versorgt und deshalb entlassen werden und wer musste auf die Station aufgenommen werden. Die Entscheidung fiel auch deshalb so schwer, weil viele Patient*innen sich seit Wochen vor einer Ansteckung ängstigten. „Viele Menschen verfolgen den ganzen Tag die Nachrichten und ängstigen sich fortwährend“, schildert der Psychotherapeut Gilcher die starke Verunsicherung unter seinen Patient*innen. „Gerade ältere Patient*innen oder die mit Lungenerkrankungen sind sehr beunruhigt.“ Die Patient*innen werden jedoch nicht allein gelassen. „Die Psychotherapeut*innen, Ärzt*innen, Sozialarbeiter*innen und Pflegekräfte bleiben in telefonischem Kontakt mit ihren Patient*innen“, erklärt Gilcher. „Auch die Möglichkeiten der Videobehandlung sollen nun genutzt werden. In ganz dringenden Fällen bieten wir aber immer noch einzelne Therapiestunden von Angesicht zu Angesicht in den Tageskliniken an.“ Auch die Institutsambulanzen der Klinik arbeiten aktuell vor allem per Telemedizin.

Die Einschränkungen treffen nicht nur die Patient*innen der Tagesklinik. Die Klinik hat alle vorgesehenen Aufnahmen von der Warteliste abgesagt. Es erfolgen nur noch Notfallaufnahmen. Auf den Stationen besteht Besuchsverbot. Die Türen von außen sind zu. „Das schafft zusätzliche Unruhe“, erklärt Gilcher. „Die Patient*innen sorgen sich um sich und um ihre Angehörigen. Es sind weit mehr Gespräche als normal erforderlich. Diese erfolgen aktuell fast ausschließlich mit jeder einzelnen Patient*in und nicht mehr in Gruppen.“

Oberstes Ziel ist es, die Grund- und Notfallversorgung der Patient*innen aufrechtzuerhalten, auf den Stationen für die psychisch kranken Menschen, aber auch in der Neurologie der Klinik. Wie gut dies möglich ist, hängt auch stark von den Ausfällen bei den Mitarbeiter*innen ab. Ein Krisenstab passt täglich den Pandemieplan der Klinik an und informiert die Mitarbeiter*innen. Dazu gehört auch, dass eine ganze Station freigeräumt wurde, um Platz für Intensivbetten mit Beatmungsgeräten zu schaffen. Auf dieser COVID-Station sollen auch zwei Psychotherapeut*innen eingesetzt werden, die sich sowohl um die Patient*innen als auch um das Personal kümmern. Auch an Übernachtungsplätze für das Personal wurde gedacht, wenn der tägliche Weg vom Arbeitsplatz zur Familie nach Hause zu riskant werden sollte. Wenn das Virus weiter um sich greift, will die Klinik vorbereitet sein.

Die Corona-Epidemie verunsichert alle, die Patient*innen, aber auch das Personal. Die Mitarbeiter*innen auf den Stationen benötigen nicht nur Schulungen in den notwendigen Hygienestandards oder Auffrischungen in der Bedienung der Beatmungsgeräte. Sie benötigen auch tägliche Beziehungsarbeit und gutes Krisenmanagement. Das „Gemeinsam schaffen wir das“ erfordert Gespräche und ein besonnenes und fürsorgliches Miteinander. Die Expertise der Psychotherapeut*innen ist im Besonderen gefordert. Gespräche über psychische Krisen sind ihr Metier. „Aber die Coronakrise ist auch für uns und die Familien zuhause eine besondere Herausforderung“, weiß Andreas Gilcher.

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