Am 4. Juni 2025 fand im Rahmen des bundesweiten Hitzeaktionstags ein digitaler Fachtag unter dem Titel „Schutz der Kleinsten mitdenken“ statt. Veranstalter des Fachtags war das baden-württembergische Aktionsbündnis Klimawandel und Gesundheit, getragen vom Landesgesundheitsamt, dem Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration, den Heilberufekammern (Landespsychotherapeutenkammer, Landesärztekammer, Landesapothekerkammer), dem Deutschen Wetterdienst sowie der Architektenkammer.
An der Veranstaltung nahmen über 260 Fachkräfte teil. Die Teilnehmenden setzten sich vornehmlich aus Beschäftigten in Kindertagesstätten (etwa 35 %), Schulen (20 %), Gesundheitsämtern (20 %), der Kommunalverwaltung (7 %), aus dem Bereich Architektur und Landschaftsarchitektur (5 %) sowie aus weiteren Berufsgruppen (15 %) zusammen.
Nach der Begrüßung durch Carina Rau (Landesgesundheitsamt/Sozialministerium) sowie einem Grußwort von Gesundheits- und Sozialminister Manne Lucha übernahm die Journalistin Janina Klabes die Moderation der Tagung. In mehreren Fachvorträgen wurde eindrücklich dargelegt, wie sich Hitzebelastungen und extreme Hitzeereignisse im Zuge des Klimawandels insbesondere auf Kinder – vor allem im Vorschulalter – auswirken.
Katrin Graw vom Deutschen Wetterdienst erläuterte die Zunahme von Hitzetagen und wolkenlosen Tagen infolge des Klimawandels und verwies auf die damit verbundenen erhöhten UV-Strahlungswerte. Diese hätten nicht nur eine positive Wirkung auf die körpereigene Vitamin-D-Bildung, sondern auch eine deutliche Zunahme von gesundheitsschädigenden Effekten wie etwa Hautkrebs zur Folge.
Dr. Robin Maitra, Klimaschutzbeauftragter der Landesärztekammer Baden-Württemberg, thematisierte die gesundheitlichen Gefahren für Kinder durch die Zunahme der Hitzetage und extremer Hitzeereignisse. Er zitierte zunächst die UN-Kinderrechtskonvention, in der das Wohl des Kindes und die Gesundheitsvorsorge als wichtige Rechte verankert sind, und betonte dann, dass alle Organsysteme des Körpers von Hitze beeinträchtigt werden. „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen“. Hitze sei gerade für jüngere Kinder besonders gefährlich aus mehreren Gründen: Sie sind noch kaum in der Lage zur eigenständigen Flüssigkeitszufuhr, können Gefahren noch nicht gut erkennen. Gleichzeitig ist ihre körperliche Thermoregulation noch nicht ausgereift, so dass schnellere körperliche Überhitzung und Austrocknung drohen.
Konkrete Gefahren durch Hitze sind auch die Zunahme von Frühgeburten und Herzfehlern, die Zunahme stationärer Aufnahmen bei chronisch kranken Kindern, sowie Hautschäden und Hautkrebs bzw. höheres langfristiges Hautkrebsrisiko. Weitere Gefahren für Kinder infolge des Klimawandels resultieren aus der höheren Luftverschmutzung (Feinstaub) u.a. mit sogenannten endokrinen Disruptoren, durch schadstoffbelastetes Trinkwasser, klimafeindliche Ernährung und reduzierte Mobilität.
Dr. Maitra benannte nicht nur die bestehenden Probleme und Risiken, sondern stellte auch konkrete Lösungsansätze und Maßnahmen vor, die er als zentral für das Gelingen im Umgang mit den genannten Problemen erachtet, darunter:
verpflichtender Hitze- und UV-Schutz
Schaffung gesunder Umweltbedingungen (Trinkwasser, weniger Mikroplastik, geringere Schadstoffbelastung).
Gesunde Ernährung und
Anpassung der Mobilität (mehr ÖPNV, weniger fossile Verbrennung).
Philipp Böhmer von der Landesapothekerkammer vertiefte das Thema UV-Schutz bei Kindern. Er wies insbesondere auf das hohe Risiko für Haut- und Augenschäden hin, dem Kinder aufgrund ihrer empfindlicheren Haut und kürzeren Eigenschutzzeit ausgesetzt sind. Er erläuterte praxisnahe Schutzmaßnahmen, u.a. die bedarfsgerechte Anwendung von Sonnenschutzmitteln in Abhängigkeit vom UV-Index.
Für die Landespsychotherapeutenkammer referierte Verena Heidenreich, Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin und Traumatherapeutin aus Freiburg und Mitglied der Psychologists/Psychotherapists for Future, anschließend zum Thema „Wenn der Sommer brennt – seelisches Wohlbefinden von Kindern bei Hitze stärken“:
Sie wies darauf hin, dass Hitze für Kinder besonderen Stress darstellt, nicht nur aus o.g. medizinischen Gründen, sondern auch wegen ihres Bewegungsdrangs trotz Erschöpfung und ihrer entwicklungsbedingt noch geringeren Mentalisierungsfähigkeit. Kinder können noch nicht sagen “mir ist zu heiß“, zeigen dies jedoch durch ihr Verhalten, werden passiv, traurig, wütend oder gereizt, reagieren auch mit Rückzug oder Affektstau. Konzentrationsfähigkeit und Reaktionszeit werden durch Hitze vermindert. Nähe wird bei Hitze für Kinder ambivalent, einerseits gewünscht und andererseits belastend. Für Flüchtlingskinder kann Hitze zudem auch retraumatisierend sein.
Pädagogische Kräfte sind bei Hitze natürlich mit betroffen, und ihre Haltung ist entscheidend. Sie sollen die Realität des Klimawandels anerkennen, aber nicht vor den Kindern dramatisieren, auch wenn es sich dramatisch anfühlt, sondern als Vorbild dienen: „ Ja, es ist heiß. Wir kümmern uns gemeinsam drum.“ Nötig sei ein Perspektivwechsel: „Die Erde hat Fieber – was machen wir dann? Für sie und für uns sorgen!“. Hitze erzeuge Ohnmachtsgefühle. Kinder brauchten deshalb Klimakompetenz. Diese können sie aufbauen durch Hilfe dabei, Worte z.B. für Angst, Wut und Sehnsucht zu finden.
Frau Heidenreich gab darüber hinaus praktische Impulse aus therapeutischer Sicht:
Selbstregulation fördern, z.B. durch Benennung von Körpersignalen („Ich fühle mich wie …“)
Phantasiereisen in „kühle Welten“ – wie Studien inzwischen zeigen konnten, hilft bereits die Imagination kühlerer Situationen dabei, Hitze besser ertragen zu können
Ko-Regulation ermöglichen: ErzieherInnen als ruhige, präsente Bezugspersonen, Vorbild und Modell; strukturierte Tagesrhythmen und Rückzugsräume
Gestaltung der Umwelt z.B. mit Abdunkeln, mit Ritualen wie „Trinkzeit“, „Schattenzeit“, „Eiszeit“ und „Siesta“, viele Pflanzen.
Psychoedukation.
Sie empfahl darüber hinaus Kita-Teams, gemeinsam Reflexionsfragen wie „woran erkennen wir die Hitzebelastung von Kindern und bei mir selbst?“ zu bearbeiten, und betonte die Wichtigkeit der eigenen Haltung, nämlich die Verbindung von Mitgefühl und „ins Handeln und Verändern kommen“.
In weiteren Referaten wurde u.a. die Bedeutung geeigneter architektonischer Gestaltung von Gebäuden für Kinder unter den Bedingungen des Klimawandels und vermehrter Hitzeereignisse thematisiert.
Die Tagung stieß auf großes Interesse der TeilnehmerInnen, die in ihren Rückmeldungen auch ihre Sorge um die dargestellten Entwicklungen äußerten.