Flüchtlinge besser psychotherapeutisch versorgen

WIdO-Studie fordert dauerhafte Förderung von Sprach- und Kulturmittlung

(BPtK)

Traumatisierte Flüchtlinge sollten ab dem ersten Tag einen umfassenden Anspruch auf medizinische Versorgung haben, wie er auch gesetzlich Krankenversicherten zusteht. Das fordert das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) in einer aktuellen Studie zur Gesundheit von Flüchtlingen. Bürokratische und sprachliche Hemmnisse müssten abgebaut und das psychotherapeutische Angebot ausgebaut werden. Dazu gehört auch eine Sprach- und Kulturmittlung. Mehr als die Hälfte der Flüchtlinge berichtet, dass sie Schwierigkeiten hatte, einen muttersprachlichen Arzt zu finden oder sich in einer Praxis oder einem Krankenhaus verständlich zu machen. "Eine dauerhafte öffentliche Förderung der Sprach- und Kulturmittlung könnte dieses Problem nachhaltig lösen", so das WIdO. Dies fördere auch die Integration der Flüchtlinge in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt.

Die Studie zeigt außerdem, dass rund drei Viertel der Flüchtlinge Gewalt erlebt haben und traumatisiert sind - oft sogar mehrfach. 60 Prozent berichteten von Kriegserlebnissen und 40 Prozent von Angriffen durch das Militär. Bei jedem Dritten sind nahestehende Personen verschleppt worden oder verschwunden. 30 Prozent haben Gewalterfahrungen auf der Flucht gemacht, 20 Prozent wurden gefoltert und jeweils 15 Prozent berichteten davon, inhaftiert gewesen oder Zeuge von Folter, Tötung oder sexueller Gewalt geworden zu sein.

Befragt zu psychischen und körperlichen Beschwerden in den letzten sechs Monaten, berichten die Flüchtlinge am häufigsten von Mutlosigkeit, Trauer und Bedrückung (41 Prozent), Nervosität und Unruhe (37 Prozent), Müdigkeit und Erschöpfung (31 Prozent) und Schlafstörungen (29 Prozent). Mehr als 40 Prozent der Flüchtlinge zeigen Anzeichen einer depressiven Erkrankung. Bei den eher körperlichen Beschwerden wird am häufigsten von Rücken- und Kopfschmerzen berichtet (jeweils 30 Prozent). Flüchtlinge, die Traumatisches erlebt haben, berichten sogar mehr als doppelt so oft über psychische und auch körperliche Beschwerden.

Für die Studie befragte das WIdO 2.021 Flüchtlinge aus 260 Aufnahmeeinrichtungen in ganz Deutschland. Die Flüchtlinge stammten vor allem aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. Sie lebten noch nicht länger als zwei Jahre in Deutschland.

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