In Kontakt bleiben – Psychische Belastungen stärker beachten

BPtK-Forderungen bei einer zweiten Corona-Welle

(BPtK)

Die erste Welle der Corona-Pandemie hatte massive soziale und psychische Konsequenzen. Vor allem die Kontakt- und Ausgangssperren und deren Folgen haben viele Menschen überfordert. Bei einer zweiten Corona-Welle muss stärker auf die elementaren Bedürfnisse nach Kontakt, insbesondere von Kindern und Jugendlichen aber auch von Pflegebedürftigen, Rücksicht genommen werden. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fordert deshalb zusätzliche Schutzkonzepte bei einer zweiten Corona-Welle für besonders gefährdete Menschen. Grundlegendes Element davon muss sein: „Wir müssen in Kontakt bleiben!“

„Menschen brauchen Kontakt und Nähe. Beides sind wesentliche Ressourcen, auch große Belastungen zu ertragen“, erklärt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz. Bei einer zweiten Corona-Welle könnten diese Schutzfaktoren aber erheblich an Wirkung verlieren. Je länger Krisen, Konflikte und lebensgefährdende Ereignisse dauern, desto eher sind die psychischen Widerstands- und Regenerationskräfte überfordert und es kann zu psychischen Erkrankungen kommen.

BPtK-Hintergrund zur Corona-Pandemie und zu psychischen Erkrankungen: Die BPtK hat ein erstes Resümee der vorliegenden Forschungsergebnisse zu der Frage gezogen: Wie und wie stark gefährdet die Corona-Pandemie die psychische Gesundheit? Dabei fokussiert sie auf die Personen, die die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie am stärksten zu spüren bekommen. Die psychischen Belastungen von medizinischem und Pflegepersonal fanden bereits ein breites öffentliches Echo. Erstaunlicherweise ist über die psychische Gefährdung der Erkrankten selbst und ihrer Angehörigen bisher noch wenig bekannt. Besonders stark psychisch gefährdet sind außerdem ältere Menschen, Kinder und Jugendliche, Frauen, Menschen mit Behinderung und psychisch kranke Menschen.

Psychische Beschwerden und Erkrankungen: Angst und Niedergeschlagenheit sind die häufigsten Reaktionen auf die Pandemiesituation, auch bei psychisch Gesunden. Sie sind normale Reaktionen auf belastende Ereignisse. Doch diese Belastungen sind nicht gleich verteilt. Manche Menschen sind körperlich vorerkrankt und deshalb besonders gefährdet. Manche trifft die Pandemie härter, weil sie selbst oder Angehörige erkrankt sind oder weil sie als beruflich Pflegende oder Ärzt*innen ständigen Kontakt mit Coronakranken haben. Andere müssen vor allem mit den Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen oder dem Wegfall gewohnter Tagesstrukturen und Betreuungs- und Pflegeangebote klarkommen. „Es ist deshalb wahrscheinlich, dass die Corona-Pandemie vor allem psychische Erkrankungen verstärkt oder auch auslöst, wenn bereits eine psychische Verletzbarkeit besteht“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. „Neben Depressionen und Angststörungen, akuten und posttraumatischen Belastungsstörungen können auch Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit, Zwangsstörungen und Psychosen zunehmen.“

Besondere Belastungen in einer andauernden Gesundheitskrise: Menschen verfügen grundsätzlich über ein erhebliches Potenzial, psychische Gefährdungen und Krisen zu durchleben und sich auch allein wieder davon zu erholen. Die Corona-Pandemie stellt die menschlichen Selbstheilungskräfte jedoch vor eine außergewöhnliche Herausforderung. Bis heute ist ein Ende der Corona-Pandemie nicht abzusehen. Nach der ersten Infektionswelle werden zwar gerade viele öffentliche Beschränkungen aufgehoben. Die Bedrohung durch das Virus aber bleibt bestehen und eine zweite Welle ist nicht ausgeschlossen.

BPtK-Forderungen bei einer zweiten Corona-Welle: Eine ersatzlose längere Schließung von Kitas und Schulen ist sowohl für die Kinder und Jugendlichen als auch für die Eltern nicht tragbar. Aber auch für die Coronakranken selbst und ihre Angehörigen müssen neue Wege gefunden werden, trotz Ansteckungsgefahr in Kontakt zu bleiben.

  • Für gefährdete und erkrankte Menschen bedarf es bei einer zweiten Welle dringend eines besseren Informations- und Beratungsangebots, das hilft, die Pandemie möglichst psychisch gesund durchzustehen. Dafür sind Internetangebote wichtig, aber auch persönliche telefonische Beratung. Psychotherapeut*innen muss die telefonische Beratung und Behandlung von Patient*innen aller Altersgruppen ermöglicht werden, um Hilfsbedürftige überhaupt erreichen zu können.
  • Kinder und Jugendliche waren durch die Schließung von Kitas, Schulen, Spielplätzen und Sportvereinen schwer belastet. Über das reine Home-Schooling hinaus ist bei einer zweiten Welle daher ein Betreuungs- und Kontaktangebot zu schaffen, das Kindern und Jugendlichen in stabilen kleinen Gruppen persönliche Nähe und Austausch ermöglicht. Solche Kontakt- und Austauschmöglichkeiten sind unerlässliche Ladestellen, an denen Kinder und Jugendliche ihre sozialen und psychischen Akkus wieder auffüllen können.
  • In der ambulanten und stationären Altenpflege muss eine totale Isolierung vermieden werden. Dafür bedarf es eines Präventionskonzeptes, das mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst zu entwickeln ist. Sowohl beim Öffentlichen Gesundheitsdienst als auch in den Pflegeeinrichtungen herrscht aber schon jetzt Personalmangel. Hygienekonzepte, Teststrategien und Notfallpläne zu entwickeln und umzusetzen, ist nur möglich, wenn entsprechende personelle und finanzielle Ressourcen vorhanden sind. Auch Besuchsräume, feste Gruppen (Personal und Bewohner*innen) und ausreichend Zeit, um demenzkranken Bewohner*innen Veränderungen zu erklären und sie einzuüben, müssen zum Standard gemacht werden. Die Angst der Pflegeheimbewohner*innen vor einer Erkrankung und eventuelle traumatische Erfahrungen bei einer Erkrankung lassen sich initial vielleicht nicht vermeiden. Es gilt aber, angemessen darauf zu reagieren. Anspruch auf Beratung und psychotherapeutische Behandlung haben Menschen unabhängig von ihrem Alter. Der Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung muss für sie auch in den Pflegeeinrichtungen gewährleistet sein.
  • Empfehlungen zur individuellen Prävention psychischer Belastungen sollten zum Allgemeinwissen gehören. Dazu ist das öffentliche Bewusstsein durch die Gesundheitspolitik sehr viel stärker als bisher zu fördern. Die BPtK hat Empfehlungen zusammengestellt, was jeder für sich tun kann, um möglichst psychisch gesund zu bleiben.

Bleiben Sie psychisch gesund – auch in Coronazeiten

  • Bleiben Sie auch bei Kontakt- und Ausgangssperren in Kontakt. Tauschen Sie sich mit Freund*innen und Bekannten aus. Berichten Sie anderen, wie es Ihnen geht. Erlebnisse und Gefühle mitzuteilen, hilft mehr, als Sie für möglich halten!
  • Schaffen Sie sich eine Tagesstruktur, wenn Home-Office, Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit alles durcheinanderbringen. Wenn möglich, schaffen Sie sich einen regelmäßigen Rhythmus von Arbeit, Mittagspause, Arbeit, kurze Pause, Familie und Hausarbeit und Freizeit.
  • Wenn Sie mit Kindern zusammenleben: Erklären Sie diesen altersgerecht die Lage, versichern Sie ihnen, dass Sie für sie da sind, sorgen Sie für einen geregelten Tagesablauf mit Pflichtaufgaben für Schule und Haushalt einerseits und Freizeitaktivitäten und Spielen andererseits. Achten Sie darauf, dass sich die Kinder auch allein beschäftigen, wenn sie das schon können.
  • Bleiben Sie in Bewegung: Egal was, egal ob Yoga oder Kraftsport – fordern sie sich körperlich. Sanft, pulsstark oder ausdauernd. Das entspannt, körperlich und seelisch. Gehen Sie, wenn möglich, raus. Jeder Abendspaziergang um den Block ist nützlich.
  • Lenken Sie sich ab. Alles, was Sie die Corona-Pandemie und Ihre Sorgen vergessen lässt, ist eine wichtige Pause für die Psyche. Permanent Grübeln und sich ständig ängstigen macht krank.
  • Wenn Sie in einer Partnerschaft leben: Sprechen Sie über die Situation und über Ihre eigenen Wahrnehmungen und Empfindungen. Vermeiden Sie dabei keine Konflikte und versuchen Sie trotzdem, gegenseitig Verständnis aufzubringen.
  • Auch wenn es eine oft gehörte Mahnung ist: Trinken Sie viel, aber nicht unbedingt Alkohol. Alkohol entspannt, aber lässt schlecht schlafen. Das Glas zu viel ist schnell erreicht.
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