Wenn psychotherapeutische Behandlung nur noch in 2D möglich ist

Erfahrungsbericht 4: Hans-Peter Brettle, Psychotherapeut im Landkreis Wittlich

(BPtK)

Von Normalität kann zwar noch keine Rede sein, aber ein typischer Arbeitstag von Hans-Peter Brettle, Psychotherapeut im rheinland-pfälzischen Landkreis Wittlich sieht inzwischen so aus: Vier Patient*innen kommen noch in seine Praxis. Vier anderen ist das Ansteckungsrisiko zu groß, sie wählen die Online-Videobehandlung, bei der zwar der Psychotherapeut noch in seiner Praxis sitzt, die Patient*in aber zuhause in ihrem Wohn- oder Arbeitszimmer. Die neue Variante der Fernbehandlung ist für beide Seiten noch unvertraut und auch noch nicht perfekt: Zweimal bricht die Leitung zusammen, einmal fällt der Ton aus. „Wenn dies in einem Moment passiert, in dem die Patient*in gerade schildert, was ihr besonders nahe geht, stört dies schon erheblich“, berichtet Hans-Peter Brettle, der sowohl Psychologischer Psychotherapeut als auch Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut ist.

Corona hat vieles verändert. „Ich rufe zur Zeit jede Patient*in einen Tag vorher an und frage, wie es ihr geht“, schildert Hans-Peter Brettle weiter seinen Alltag in der Coronakrise. „Hat die Patient*in Husten, Schnupfen oder Fieber, sage ich den Termin ab, um mich und meine anderen Patient*innen zu schützen. Stattdessen biete ich die Videobehandlung an oder, falls ein Gespräch in 2D nicht ausreicht, einen Spaziergang mit dem ausreichenden Abstand an.“ Immerhin die Hälfte seiner Patient*innen möchte noch das Gespräch von Angesicht zu Angesicht, den direkten Kontakt zum Psychotherapeuten und den Schutzraum der Praxis, um sich ausreichend sicher und aufgehoben zu fühlen. Weitere 20 Prozent der Patient*innen sagen ihre Termine ab, weil sie Angst haben, sich anzustecken. „Solange dies Patient*innen sind, die auf dem Weg der Besserung sind, kann eine Psychotherapie auch seltener stattfinden oder ausgesetzt werden“, sagt Hans-Peter Brettle. Bei anderen nehmen allerdings Ängste und Panikattacken zu. Die dauernde Beschäftigung mit dem Virus und den staatlichen Gesundheitsmaßnahmen führt bei ihnen zu einer ständigen Beunruhigung. „Manchen Patient*innen habe ich schon geraten, nur noch einmal am Tag die Nachrichten zu lesen, damit sie sich nicht weiter in ihre Ängste hineinsteigern.“ Depressiv Kranke leiden dagegen häufig unter der verordneten Isolierung und Einsamkeit. „Als Psychotherapeut empfehle ich ihnen normalerweise genau das Gegenteil. Ich versuche, sie zu aktivieren, sie zu motivieren, etwas zu unternehmen und Familie und Freund*innen zu treffen.

Die Behandlung in der Praxis und im unmittelbaren Gegenüber bleibt für Hans-Peter Brettle das Non-Plus-Ultra in der Psychotherapie. „In dieser Ausnahmesituation ist die Videobehandlung jedoch eine wichtige Alternative, weil sie ermöglicht, die Behandlung fortzusetzen. Eine Unterbrechung könnte bei einigen Patient*innen die psychische Erkrankung deutlich verschlimmern. Dafür sind sie noch nicht stabil genug.“ Viele Patient*innen sind deshalb dankbar, dass es inzwischen diese Möglichkeit der Fernbehandlung gibt.

Auch die Telefonate mit den Eltern der Kinder, die in seiner Praxis in Behandlung sind, nehmen zu. „Die Schließung von Kitas und Schulen, diese milde Form der Quarantäne, schafft in den Familien eine große Nähe“, berichtet Hans-Peter Brettle. „Die Kinder suchen Beschäftigung, die Eltern sorgen sich um ihren Arbeitsplatz.“ Auch die Telefonate sind eine notwendige Ergänzung der Kontaktaufnahme in Corona-Zeiten, da längst noch nicht alle Patient*innen über Internet verfügen. Deshalb war Hans-Peter Brettle sehr erfreut, dass die Kassenärztliche Vereinigung in Rheinland-Pfalz auch die Telefonsprechstunde ermöglichte. „So ist Kontakt mit allen möglich, die meine Beratung und Hilfe benötigen.“

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