Bereits seit 2021 sind die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet, den GKV-Versicherten die elektronische Patientenakte (im Folgenden: ePA) anzubieten. Bislang konnten GKV-Versicherte noch frei wählen, ob sie sich die ePA einrichten lassen möchten. Die GKV-Versicherten mussten die Einrichtung bei ihrer gesetzlichen Krankenkasse beantragen („Opt-in-Verfahren“). Von dieser Möglichkeit haben die GKV-Versicherten aber in der Vergangenheit kaum Gebrauch gemacht. Um eine flächendeckende Einführung der ePA im Rahmen der Digitalisierung des Gesundheitswesens zu erreichen, hat der Gesetzgeber nun wesentliche Änderungen beschlossen, die zu Beginn des neuen Jahres wirksam werden.
Ab dem 15. Januar 2025 müssen die gesetzlichen Krankenkassen die ePA obligatorisch für alle GKV-Versicherten einrichten, sofern kein Widerspruch der GKV-Versicherten gegen die Einrichtung der ePA vorliegt. Das heißt, es wird ein aktiver Widerspruch erforderlich, wenn die/der einzelne Versicherte die Einrichtung der ePA nicht für sich wünscht („Opt-out-Verfahren“). Die ePA 3.0 wird zunächst in ausgewählten Modellregionen vier Wochen lang getestet. Sollte dieser Test positiv verlaufen, so ist ab dem 15. Februar 2025 der bundesweite Roll-out geplant und die Einrichtung der ePA wird dann flächendeckend durch die gesetzlichen Krankenkassen erfolgen (sogenannte „ePA für alle“). Die Krankenkassen sind zuständig, ihre Versicherten umfassend über die ePA zu informieren.
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen grundsätzlich alle Leistungserbringer*innen im Gesundheitswesen im jeweiligen Behandlungskontext Daten in die ePA einstellen und Zugriff auf medizinische Daten in der ePA von GKV-Versicherten erhalten können, wenn nicht die GKV-Versicherten den Zugriff beschränkt haben. Die Krankenkassen selbst können zwar Daten in die ePA einspeisen, haben aber keine Lese- oder sonstigen Zugriffsrechte.
Abgrenzung der ePA zur Behandlungsdokumentation:
Die ePA ist ein lebenslanges elektronisches Archiv medizinischer Behandlungsdaten. Es handelt sich um eine Anwendung der Telematikinfrastruktur. In die ePA sollen medizinische Daten insbesondere zur Information aller mit- und nachbehandelnden Leistungserbringer*innen im Gesundheitswesen eingespeist und digital verfügbar gemacht werden. Die ePA ist nach dem gesetzgeberischen Willen eine versichertengeführte Akte. Die Datensouveränität liegt bei den GKV-Versicherten. Diese steuern durch ein differenziertes Berechtigungsmanagement die verfügbaren Daten und haben als einziges ein jederzeitiges Zugriffs- und Steuerungsrecht auf ihre ePA. Die Versicherten entscheiden insbesondere über den Umfang der verfügbar gemachten Daten und die Zugriffsrechte auf diese Daten für die Leistungserbringer*innen.
Die elektronische Patientenakte (ePA) ersetzt nicht die Behandlungsdokumentation, welche weiterhin von Psychotherapeut*innen in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung in Papierform oder elektronisch zu führen und mindestens zehn Jahre lang nach Abschluss der Behandlung sicher aufzubewahren ist (§ 630 g BGB, § 11 Berufsordnung).
Psychotherapeut*innen sind unverändert verpflichtet, sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse in der Behandlungsdokumentation aufzuzeichnen (insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Testuntersuchungen und deren Ergebnisse, Befunde, Interventionen und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen). In Bezug auf die Behandlungsdokumentation besteht auch weiterhin keine Entscheidungsbefugnis, kein Widerspruchsrecht und keine Datenhoheit der GKV-Versicherten. Die Behandlungsdokumentation ist von Vertragspsychotherapeut*innen gesondert zu führen und aufzubewahren.
ePA: neue Pflichten für Vertragspsychotherapeut*innen ab 2025
Mit der flächendeckenden Einführung der ePA, voraussichtlich ab dem 15. Februar 2025, ergeben sich für Vertragspsychotherapeut*innen neue Regelungen (§§ 342 ff. SGB V), die wir im Folgenden kompakt darstellen:
Pflicht zur Einspeisung von Daten in die ePA:
Es sind Behandlungsdaten in die ePA einzuspeisen. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen (a.) Behandlungsdaten, die regelmäßig in die ePA eingestellt werden müssen, sofern nicht ausnahmsweise ein Widerspruch der GKV-Versicherten vorliegt und (b.) Behandlungsdaten, die nur auf ausdrücklichen Wunsch der GKV-Versicherten einzustellen sind.
a) Vertragspsychotherapeut*innen sind verpflichtet, - unter Berücksichtigung der Informationspflichten (s. u.) - die im Gesetz genannten Behandlungsdaten in die ePA einzustellen, wenn sie diese im aktuellen Behandlungskontext selbst erhoben haben und die Daten elektronisch vorliegen. Hierunter fallen eArztbriefe und andere elektronisch vorliegende Befundberichte aus selbst durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die für mit- oder nachbehandelnde Leistungserbringer*innen von Bedeutung sein können. Diese Pflicht gilt von Gesetzes wegen und erfordert keine explizite Einwilligung der Patient*innen. Voraussetzung ist jedoch, dass die GKV-Versicherten der Einspeisung dieser Behandlungsdaten in die ePA nicht widersprochen haben. Auf das Widerspruchsrecht ist von Ihnen vor der Einspeisung von Daten hinzuweisen und ein erfolgter Widerspruch ist zu dokumentieren.
b.)
b) Sonstige Behandlungsdokumente sind dagegen nur auf ausdrücklichen Wunsch der betroffenen GKV-Versicherten in die ePA aufzunehmen. Sofern Patient*innen Sie um Einspeisung elektronisch verfügbarer Dokumente aus dem aktuellen Behandlungskontext in die ePA bitten, müssen Sie diesem Verlangen nachkommen. Sie haben Patient*innen zu unterstützen. Dokumente, die ausschließlich in Papierform vorliegen, sind jedoch nicht in die ePA aufzunehmen.
Die Einwilligung der GKV-Versicherten in die (Wunsch-) Einspeisung von Daten in die ePA muss dokumentiert und aufbewahrt werden.
Informationspflichten:
Alle Leistungserbringer*innen sind gleichermaßen verpflichtet, die GKV-Versicherten in der Praxis in geeigneter Weise darüber zu informieren, welche Daten sie in die ePA einspeisen. Außerdem sind die GKV-Versicherten auf das Recht hinzuweisen, selbst das Einspeisen von Daten verlangen zu können.
Darüber hinaus sind Leistungserbringer*innen verpflichtet, die GKV-Versicherten vor dem Einstellen besonders sensibler Gesundheitsdaten in die ePA, welche eine Diskriminierung oder Stigmatisierung befürchten lassen, ausdrücklich auf das Recht zum Widerspruch und auf das Recht zur Beschränkung des Zugriffs auf diese Daten hinzuweisen. Da Daten aus der Diagnostik und Behandlung psychischer Erkrankungen gemäß Gesetz regelmäßig zu den besonders sensiblen Daten zählen, welche eine Diskriminierung oder Stigmatisierung befürchten lassen, besteht für alle Vertragspsychotherapeut*innen diese qualifizierte Informationspflicht. Sie sind also verpflichtet, die GKV-Versicherten in Ihrer Praxis ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass sie dem Einstellen von Daten aus der psychotherapeutischen Behandlung widersprechen können und den Zugriff von Dritten auf eingestellte Daten in der ePA beschränken können.
Den vorgenannten Informationspflichten kann bspw. durch ein gut sichtbaren Praxisaushang, durch mündliche Erläuterungen oder durch Ausgabe einer Textinformation genüge getan werden. Die Berufsverbände stellen ggf. hierzu auch Muster für Sie zur Verfügung.
Die GKV-Versicherten sollten im Rahmen dieser Informationspflicht unbedingt auch informiert werden, dass die gesetzlichen Krankenkassen ihrerseits die ihnen vorliegenden Leistungs- und Abrechnungsdaten in die ePA einstellen, sofern die GKV-Versicherten der grundsätzlichen Nutzung nicht gegenüber ihrer gesetzlichen Krankenkasse widersprochen oder eine Datenlöschung beantragt haben. Da zu den Abrechnungs- und Leistungsdaten auch die Diagnosen gehören, kann also auf diesem Weg die Diagnose einer psychischen Erkrankung in die ePA eines GKV-Versicherten gelangen. Gegen das Einspeisen der Leistungs- und Abrechnungsdaten durch die Krankenkassen müssen die GKV-Versicherten schriftlich bei der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse oder in der ePA-App einen Widerspruch einlegen.
Soweit neben der Behandlung in der psychotherapeutischen Praxis eine medikamentöse Mitbehandlung erfolgt, so werden auch diese Daten direkt vom e-Rezept-Server in die ePA überführt. Sollten GKV-Versicherte das Anlegen der Medikationsliste in die ePA nicht wünschen, so müssen sie bei der gesetzlichen Krankenkasse Widerspruch gegen das Einlesen des gesamten Medikationsplanes einlegen. Die Beschränkung des Zugriffs auf den Medikationsplan selektiv nur für einzelne Leistungserbringer*innen wird voraussichtlich erst ab Juli 2025 technisch möglich sein.
Psychotherapeut*innen sollten ihren Patient*innen bei Fragen auch beratend zur Seite stehen, welche Informationen mit anderen Leistungserbringer*innen geteilt werden sollten und welche Daten als besonders sensible Daten insgesamt oder vor einzelnen Leistungserbringer*innen verborgen werden sollten.
Zugriffsrechte von Vertragspsychotherapeut*innen auf die ePA
Alle Vertragspsychotherapeut*innen sind gesetzlich zur Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI) und zur Installation der erforderlichen Komponenten für die TI-Anwendungen verpflichtet. Durch das Einlesen der eGK hat die Praxis automatisch für 90 Tage Zugriff auf alle Inhalte der ePA der GKV-Versicherten.
Vom Gesetzgeber ist dabei gewollt, dass im Grundsatz sämtliche in der ePA gesammelten Daten für alle Leistungserbringer*innen (Praxen, MVZ, Krankenhäuser oder Apotheken), welche in die aktuelle Behandlung eingebunden sind, sichtbar eingespeist sind. Die in der ePA vorliegenden Daten dürfen im aktuellen Behandlungskontext genutzt werden, sofern das für die Krankenversorgung erforderlich ist. So können bei entsprechenden Hinweisen aus dem Anamnesegespräch etwaige Daten zu Vor-, Mitbehandlungen oder zu einer Pharmakotherapie gelesen und genutzt werden. Die Daten in der ePA ersetzen jedoch weder eine fachgerechte Anamnese noch die unmittelbare Kommunikation zwischen Leistungserbringer*innen untereinander.
GKV-Versicherte steuern die Zugriffsberechtigungen auf die ePA. Sie können über die ePA-App sowohl die Zugriffsdauer auf die ePA anpassen als auch Zugriffsberechtigungen für einzelne Leistungserbringer*innen einräumen oder entziehen oder/und Zugriffe auf bestimmte Inhalte der ePA beschränken, indem sie insbesondere Inhalte verbergen oder Inhalte löschen. Darüber hinaus können GKV-Versicherte auch selbst elektronische Dokumente in ihre ePA hochladen und einstellen. Die ePA kann daher nicht vollständig sein.
Für die GKV-Versicherten bestehen folgende Widerspruchsmöglichkeiten:
• Sie können der Einrichtung der ePA insgesamt widersprechen. Nur in diesem Fall wird schon keine ePA angelegt. Der Widerspruch ist fristgerecht bei der zuständigen Krankenkasse einzulegen. Die Krankenkassen informieren derzeit bereits die GKV-Versicherten hierüber. Die GKV-Versicherten können aber auch noch nach einer bereits erfolgten Ersteinrichtung die komplette Löschung der ePA verlangen.
• GKV-Versicherte können in Ihrer Praxis Widerspruch gegen das Einstellen von Dokumenten in dem jeweiligen Behandlungskontext erheben. Ihre Praxis darf dann keine Behandlungsdaten in die ePA einspeisen. Wichtig ist, dass Psychotherapeut*innen auf das Widerspruchsrecht hinweisen müssen und sowohl die Aufklärung über das Widerspruchsrecht als auch den Patient*innenwunsch sorgsam dokumentieren müssen.
• GKV-Versicherte können einzelne Leistungserbringer*innen vom Zugriff auf die für sie eingerichtete ePA oder vom Zugriff auf einzelne Dokumente in der ePA ausschließen. Die Patient*innen entscheiden über die Zugriffsberechtigungen. Sofern GKV-Versicherte Ihre Praxis ausgeschlossen haben, können Sie weder Inhalte der ePA lesen noch die ePA befüllen.
• Die GKV-Versicherten können Widerspruch gegen das Einstellen von Leistungs- und Abrechnungsdaten in die ePA durch die gesetzlichen Krankenkassen einlegen.
• Der Widerspruch gegen das Bereitstellen von Medikationslisten kann aktuell nur gesamt erfolgen. Hier sollten sich GKV-Versicherte bestenfalls an die behandelnden Ärzt*innen wenden.
• Daneben gibt es noch die Möglichkeit, einen Widerspruch gegen die Nutzung der ePA-Daten zu Forschungszwecken zu erheben.
Besonderheiten bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen:
Auch in der GKV (mit-) versicherte Kinder und Jugendliche erhalten eine ePA, soweit der Einrichtung der ePA nicht widersprochen wird. Einen möglichen Widerspruch erklärt in diesem Fall der/die gesetzlichen Vertreter, also in der Regel die Eltern. Ab Vollendung des 15. Lebensjahres können Jugendliche ihre Widerspruchs- und Zugriffsrechte bezüglich der ePA selbst ausüben.
Wir raten Ihnen hier zu einer besonders sorgfältigen Aufklärung, es sollte insbesondere dafür sensibilisiert werden, dass bei sorgeberechtigten Hauptversicherten eine Einsichtnahme in die ePA durch diese nicht ausgeschlossen ist. Der/die Jugendliche kann sich mit Vollendung des 15. Lebensjahres nachträglich selbst um Löschung von Daten aus der ePA bemühen. Sollte für einen Minderjährigen eine ePA eingerichtet sein und Sie zur Einspeisung von Daten verpflichtet werden, so ist zwingend darauf zu achten, dass in der ePA keine Daten von Dritten offenbart werden. Drittgeheimnisse sind zu schwärzen.
Da viele Fragen hierzu noch nicht abschließend geklärt sind, empfiehlt sich ein zurückhaltender Umgang mit dem Einspeisen von Daten bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen.
Vergütung von ePA-Leistungen nach dem EBM
Für die Befüllung der ePA können verschiedene Gebührenordnungspositionen nach dem EBM abgerechnet werden. Weitere Informationen zu abrechnungsfähigen Leistungen erhalten Sie bei der Abrechnungsberatung der Kassenärztlichen Vereinigung BW und in der BPtK Praxis-Info | Elektronische Patientenakte.
Weiterführende Informationen:
• BPtK Praxis-Info | Elektronische Patientenakte
• https://www.kbv.de/html/epa.php
• https://www.kvbawue.de/praxis/unternehmen-praxis/it-online-dienste/telematikinfrastruktur-ti-e-health/elektronische-patientenakte-epa
• https://www.gematik.de/anwendungen/epa/epa-fuer-alle
• https://www.forschungsdatenzentrum-gesundheit.de/
Online-Fortbildungsmöglichkeiten:
BPtK und KBV bieten zudem Informationsveranstaltungen zur ePA an. Termine und weitere Informationen finden Sie unter:
https://www.bptk.de/neuigkeiten/neu-online-informationsveranstaltung-zur-e-pa/
https://www.kbv.de/html/1150_72536.php
ePA für Privatversicherte
Bei Privatversicherten besteht nach aktueller Rechtslage keine Pflicht für die Kostenträger zur Einrichtung einer ePA. Es besteht auch kein Pflicht für Privatpraxen zum Einstellen von Daten in die ePA, zumal hierfür eine technische Anbindung an die Telematikinfrastruktur erforderlich ist (elektronischer Heilberufeausweis, SMC-B-Karte, kompatibles PVS). Es gibt bislang auch nur wenige private Krankenversicherungen, die auf freiwilliger Basis eine ePA für die Versicherten anbieten.