Die psychotherapeutischen Praxen sind in Deutschland sehr ungleich verteilt. Dies stellt die Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Berliner Forschungsinstitut IGES in einer neuen Studie fest. Der Grund dafür sind insbesondere gesetzliche Vorgaben: Danach soll ein Psychotherapeut in ländlichen Regionen rund 6.000 Einwohner versorgen, in Großstädten aber nur halb so viele. Dieses Ungleichgewicht wird damit begründet, dass in Städten häufiger Patienten aus dem Umland mit versorgt werden.
Die Bertelsmann Stiftung schlägt nun ein bundesweit einheitliches Verhältnis von Psychotherapeut pro Einwohner vor, damit sich die Praxen bedarfsgerechter verteilen. „Die Einführung einer bundeseinheitlichen Verhältniszahl ist zu begrüßen. Hierdurch könnte das Stadt-Land-Gefälle in der Versorgung verringert werden. Menschen auf dem Land sind genauso häufig psychisch krank wie Menschen, die in der Stadt leben und brauchen genauso häufig eine psychotherapeutische Behandlung“, erklärt Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Problematisch wäre es jedoch, wenn dafür die bisherige Bedarfsplanung die Grundläge wäre.“
Die bisherigen Vorgaben unterschätzen den Bedarf an psychotherapeutischen Praxen erheblich. Die heutige Mangelversorgung an ambulanter Psychotherapie ist auf Fehler bei der Bedarfsplanung für die Arztgruppe der Psychotherapeuten zurückzuführen, die bei anderen Arztgruppen nicht gemacht worden sind. Die Fehler betreffen vor allem die Stichtagsregelung im Rahmen der Bedarfsplanung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss.
Die BPtK schlägt deshalb für die Berechnung einer bundeseinheitlichen Verhältniszahl für Psychotherapeuten zunächst eine neue Stichtagsregelung vor. Grundlage für die Berechnung des Bedarfs soll danach der Mittelwert der psychotherapeutischen Praxen am 31. Dezember 2004 in Westdeutschland sein. Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten Psychotherapeuten, die vor der Einführung des Psychotherapeutengesetzes im Delegations- oder Kostenerstattungsverfahren tätig waren, zugelassen. Durch diese Korrektur entsprächen die heute vorhandenen Praxen in etwa dem gesetzlich festgelegten Bedarf (siehe Abbildung).
„Diese Korrektur kann jedoch nur ein erster Schritt sein“, stellt BPtK-Präsident Richter fest. „Grundsätzlich brauchen wir eine Bedarfsplanung, die nicht die vorhandenen Praxen zählt, sondern auf einem tatsächlichen Versorgungsbedarf basiert.“ Das IGES Institut hat hierfür einen Bedarfsplanungsindex mit Faktoren entwickelt, die den medizinischen Versorgungsbedarf abbilden. „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung“, so Richter. „Für die psychotherapeutische Versorgung ist aber eine Anpassung dieses Indexes notwendig.“