Präsenz- und Videobehandlung kombinieren

Neue BPtK-Studie „Videobehandlung“

(BPtK)

Neun von zehn Psychotherapeut*innen (88,5 Prozent) können sich vorstellen, auch nach Ende der Pandemie Videobehandlungen durchzuführen. Allerdings will dies die Hälfte nicht mehr so häufig tun, wie während der Corona-Pandemie. Das ist das Ergebnis einer Online-Befragung von rund 3.500 Psychotherapeut*innen zu ihren Erfahrungen mit Videobehandlungen während der ersten Welle der Corona-Pandemie.

„Die Corona-Pandemie hat zu einem massiven Innovationsschub bei Videobehandlungen geführt. Fast alle Psychotherapeut*innen haben Behandlungen per Videotelefonie durchgeführt und fast alle haben dies erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie gemacht,“ erklärt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). Nach den Erfahrungen der Psychotherapeut*innen sind Videobehandlungen eine wichtige Ergänzung, aber kein Ersatz für Behandlungen im unmittelbaren Kontakt. Bei Videobehandlungen ist die nonverbale Wahrnehmung eingeschränkt und es können nicht alle psychotherapeutischen Interventionen durchgeführt werden.

„Mit Videobehandlungen lassen sich zudem nicht alle Patient*innen erreichen,“ erklärt Munz. Schlecht zu erreichen sind kleine Kinder, ältere Menschen, aber auch Menschen, die nicht über die notwendige technische Ausstattung oder einen ungestörten Raum für die Videobehandlung verfügen. „Hilfreich sind Videobehandlungen, um die Behandlungskontinuität zu verbessern.  Menschen mit chronischen körperlichen Erkrankungen oder Menschen, die aufgrund ihrer Arbeit viel reisen müssen, ersparen sie Wege zur Praxis oder machen es überhaupt erst möglich, Behandlungstermine wahrzunehmen,“ betont der BPtK-Präsident. Das größte Hindernis bei Videobehandlungen sind instabile Internetverbindungen. Aufgrund technischer Störungen brachen Behandlungen ab, waren Gesprächspartner*innen nicht zu verstehen oder flackerte das Bild. Auf dem Land war die Internetverbindung bei rund 40 Prozent der Patient*innen nicht ausreichend, in Großstädten immerhin noch bei 25 Prozent.

Die BPtK fordert:

  • Psychotherapeut*innen müssen je nach Patient*in eigenverantwortlich entscheiden können, ob und wie oft eine Videobehandlung angemessen ist. Dabei sollte eine Psychotherapie aus einer Hand gewährleistet werden, unabhängig davon, ob sie als Präsenz- oder Videobehandlung durchgeführt wird. Menschen müssen bei Krisen ihre Psychotherapeut*in kurzfristig in ihrer Praxis aufsuchen können. Dafür ist eine räumliche Nähe zwischen Psychotherapeut*in und Patient*in notwendig. Videobehandlungen müssen deshalb regional verankert werden.
  • Psychotherapeutische Behandlungen sollten künftig deutlich flexibler auch per Videotelefonat erbracht und abgerechnet werden können. Die von den Psychotherapeut*innen in ihren Berufsordnungen definierten Sorgfaltspflichten sichern die Qualität der Behandlungen.
  • Es müssen dringend die ausreichenden technischen Voraussetzungen für eine störungsfreie Behandlung per Video geschaffen werden. Der fehlende Ausbau des Internets ist das größte Hindernis für eine Digitalisierung der Gesundheitsversorgung.
  • Digitalisierung kann sozial benachteiligte Patient*innen von der psychotherapeutischen Versorgung ausschließen. Für Menschen mit wenigen sozioökonomischen Ressourcen sind deshalb in ihren Wohnvierteln vermehrt Beratungs- und Behandlungsangebote zu schaffen. Für ältere Menschen ist eine systematische Förderung aufsuchender Psychotherapie in deren Wohnungen und in Altenheimen notwendig.
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