In einem Offenen Brief fordert die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach auf, sich in der Diskussion um die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen an der Evidenz und der realen Versorgungssituation zu orientieren – und nicht Behauptungen aufzustellen, die unhaltbar sind. „Die Behauptung des Ministers, dass in der ambulanten Psychotherapie vor allem ‚leichte Fälle‘ versorgt werden, ist eine Unterstellung, die jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrt“, sagt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer.
Am 8. Februar 2023 hatte Bundesgesundheitsminister Lauterbach sich anlässlich der Vorstellung des Abschlussberichts der Interministeriellen Arbeitsgruppe „Gesundheitliche Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche durch Corona“ (IMA) geäußert, zusätzliche Kassensitze für Psychotherapie zu schaffen, sei nicht sinnvoll, weil diese dann lieber „leichte Fälle über längere Zeit“ behandeln wollten.
„Ihre Aussage kommt einem Schlag ins Gesicht aller Patient*innen gleich, die Hilfe bei einer Psychotherapeut*in suchen“, heißt es im dem Offenen Brief. Und weiter: „Für viele Patient*innen ist es immer noch ein schwerer Schritt, sich wegen ihrer psychischen Erkrankung professionelle Hilfe zu suchen. Es ist völlig inakzeptabel, Patient*innen gegeneinander auszuspielen und zu suggerieren, dass einige Patient*innen den Therapieplatz für andere räumen sollten.“
„Es ist verheerend, wenn der Bundesgesundheitsminister an Patient*innen das Signal sendet, sich erst dann psychotherapeutische Hilfe holen zu dürfen, wenn sie besonders schwer erkrankt sind“, kritisiert BPtK-Präsident, Dr. Dietrich Munz. „Eine solche Perspektive ist zutiefst unethisch, aber auch medizinisch und gesundheitsökonomisch völlig widersinnig! Wir fordern Sie deshalb auf, die Versorgung von allen Patient*innen mit psychischen Erkrankungen in den Blick zu nehmen und ein Ausspielen der einzelnen Patientengruppen zu unterlassen.“
Im Offenen Brief widerlegt die BPtK die Behauptungen des Ministers. Sie führt hierzu Studien und Analysen auf der Grundlage von repräsentativen Versorgungsdaten an und bittet den Minister um eine evidenzorientierte Diskussion zur Verbesserung der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung.
„Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel, die langen Wartezeiten auf einen psychotherapeutischen Behandlungsplatz zu reduzieren, muss endlich umgesetzt werden“, fordert die BPtK. Die Vorschläge des Ministers, die fehlenden psychotherapeutischen Behandlungskapazitäten allein über Sonderbedarfszulassungen und Ermächtigungen lösen zu wollen, wirkten weder schnell noch flächendeckend.