Weiterhin viel zu wenig Psychotherapeuten im Ruhrgebiet

Krankenkassen und Kassenärzte verweigern sachgerechte Reform

(BPtK)

Das Ruhrgebiet bleibt auch zukünftig psychotherapeutisch massiv unterversorgt. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat heute entschieden, dass künftig nur 85 statt der mindestens 700 notwendigen Psychotherapeuten zusätzlich zur Versorgung gesetzlich Krankenversicherter zugelassen werden. Damit haben die Menschen zwischen Duisburg und Dortmund eine erheblich geringere Chance als in anderen großstädtischen Regionen behandelt zu werden, wenn sie psychisch erkranken.

Während es im Rheinland 41,0 Psychotherapeuten je 100.000 Einwohner gibt und im Rhein-Main-Gebiet 43,1, sind es im Ruhrgebiet nur 20,1. Psychisch kranke Menschen warten deshalb im Ruhrgebiet durchschnittlich 8 Monate auf eine psychotherapeutische Behandlung, 2 Monate länger als im Bundesdurchschnitt. Der G-BA hält sich damit nicht einmal an ein Gutachten, das er selbst in Auftrag gegeben hat. Nach dem IGES-Gutachten sind rund 550 zusätzliche Sitze erforderlich, damit im Ruhrgebiet genauso viele Menschen psychotherapeutisch versorgt werden können wie in anderen großstädtischen Regionen.

"Die beiden großen Organisation im G-BA, die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen, sind offensichtlich nicht bereit, sachgerechte Entscheidungen zu treffen", stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), fest. "Sie brauchen dringend einen Weckruf des Gesetzgebers, damit sie sich an ihre verpflichtenden Aufgaben erinnern. In den Koalitionsvertrag gehört deshalb auch eine Reform der Bedarfsplanung, die dem G-BA keinen Spielraum mehr lässt, eine echte Reform zu torpedieren."

Der Gesetzgeber hatte den G-BA beauftragt, bis Ende 2016 das Problem der unzureichenden ambulanten psychotherapeutischen Versorgung zu lösen. Der G-BA hat diesen Auftrag nicht erfüllt und nach Fristende nur ein Gutachten in Auftrag gegeben. Das Versagen ist nicht dem G-BA als Organisation anzulasten, sondern seinen für den Bereich Bedarfsplanung zuständigen Trägerorganisationen. Der GKV-Spitzenverband agiert bis heute in der ambulanten Versorgung psychisch kranker Menschen mit nachgewiesen falschen Annahmen und spricht in Verkennung der Realität von "Überversorgung". Er betreibt kurzsichtige Kostendämpfung auf dem Rücken seiner Versicherten. Aber auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Kassenärztlichen Vereinigungen sind nicht bereit, für eine ausreichende Versorgung psychisch kranker Menschen zu sorgen. Sie haben zwar die Aufgabe, die ambulante Versorgung sicherzustellen, interpretieren sie aber weitgehend honorarpolitisch. Obwohl Psychotherapeuten in großen Teilen extrabudgetär vergütet werden, fürchten die Kassenärztlichen Vereinigungen, dass für niedergelassene Ärzte der anderen Facharztgruppen geringere Einkommenszuwächse verhandelbar sind, wenn sie dringend benötigte psychotherapeutische Praxen zulassen. "Die versorgungspolitische Ignoranz der Krankenkassen und die Dominanz ärztlicher Honorarinteressen in den Kassenärztlichen Vereinigungen verhindern seit Jahren die dringende Reform der ambulanten Versorgung psychisch kranker Menschen", kritisiert BPtK-Präsident Munz.

Der Gesetzgeber sollte es nicht hinnehmen, dass seine Aufträge aus dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz von 2015 jahrelang nicht erledigt werden. Er sollte deshalb den G-BA noch für 2018 mit einer Reform der Bedarfsplanung für die am stärksten unterversorgten ländlichen Gebiete und das Ruhrgebiet beauftragen. Er sollte dabei den Spielraum des G-BA bei der Umsetzung der Vorgabe auf nahezu Null reduzieren. Außerdem sollte er sicherstellen, dass der G-BA den bestehenden Auftrag umsetzt, regional die Morbiditäts- und Sozialstruktur zu berücksichtigen. "Ohne, dass der Gesetzgeber den Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen eindeutig die Richtung weist, wird es keine bessere Versorgung für psychisch kranke Menschen geben", stellt BPtK-Präsident Munz fest. "Mittelfristig ist darüber nachzudenken, wie die für den gesamten ärztlichen Bereich dringend notwendige Differenzierung der ambulanten Versorgung finanziert werden soll. Auch hier ist der Gesetzgeber in dieser Legislaturperiode gefordert."

Themen: