39. Deutscher Psychotherapeutentag – digital

Muster-Weiterbildungsordnung und Gesundheitspolitik im Fokus

(BPtK)

Der 39. Deutsche Psychotherapeutentag (DPT) verabschiedete am 19. und 20. November 2021 die noch fehlenden Teile der Muster-Weiterbildungsordnung (MWBO) für Psychotherapeut*innen und diskutierte grundsätzliche Positionen zur Gesundheitspolitik in der neuen Legislaturperiode. Außerdem wählten die Delegierten Cornelia Metge in den Vorstand der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK).

Birgit Gorgas begrüßte die Delegierten für die Versammlungsleitung zum dritten Mal zu einem digitalen DPT. Die steigenden Inzidenzzahlen der vierten Corona-Welle hatten den Vorstand bewogen, den DPT digital und nicht in Präsenz zu veranstalten. In seinem Bericht bedauerte BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz diese Entscheidung, die gleichwohl unumgänglich gewesen sei. Es sei inakzeptabel, dass circa 15 Millionen Mitmenschen in Deutschland durch ihre Entscheidung gegen eine Impfung viele Todesfälle, eine Überlastung des Gesundheitssystems, insbesondere der Kliniken, und große psychische Belastungen für viele Mitbürger*innen in Kauf nehmen. Er hätte sich gewünscht, dass mehr Einsicht möglich gewesen wäre. Um noch mehr Leid zu verhindern, müssten sich die Menschen wieder auf sehr restriktive Regelungen einstellen.

Versammlungsleitung 39. DPT: Stuart Paul Massey Skatulla, Juliane Sim, Birgit Gorgas

Um die Wahlen auf dem 39. DPT digital durchzuführen, beschlossen die Delegierten eine Änderung der Satzung der BPtK und der Geschäftsordnung der Deutschen Psychotherapeutentage. Sie stellten damit auch die Weichen für künftige digitale DPT, wenngleich Psychotherapeutentage in Präsenz die Regel bleiben sollen.

Michaela Willhauck-Fojkar zurückgetreten

Frau Michaela Willhauck-Fojkar teilte den Delegierten mit, dass sie ihr Amt als Beisitzerin im Vorstand der BPtK niedergelegt habe. Aufgrund unvorhergesehener Veränderungen in der eigenen Praxis und dem damit notwendig gewordenen höhren Zeitaufwand dort, könne Sie ihren eigenen Anforderungen, die sie an sich als Beisitzerin im Vorstand der BPtK stelle, nicht mehr ausreichend gerecht werden. In diesem Dilemma habe sie sich für ihre Patient*innen entschieden. Dr. Munz dankte Frau Willhauck-Fojkar für ihr Engagement. Ihr pragmatischer Blick auf zu lösende Probleme und ihr umsichtiges Engagement für die Interessen der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen und für psychisch kranke Kinder und Jugendliche sowie ihre Familien habe die Vorstandsarbeit sehr bereichert.

Cornelia Metge in den BPtK-Vorstand gewählt

Mit überwältigender Mehrheit wählte der DPT Cornelia Metge in den Vorstand der BPtK. Frau Metge berichtete dem DPT, dass sie seit 2008 als niedergelassene Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin im ländlichen Raum arbeite. Sie habe damals schnell erkannt, dass „guter Wille und Fleiß von Einzelnen nicht ausreicht“, deshalb habe sie sich für ein berufspolitisches Engagement entschieden. Ihre erste Bewerbungsrede auf einem DPT habe sie vor zehn Jahren gehalten, als sie sich um die Mitgliedschaft im KJP-Ausschuss bewarb. Damals habe sie gesagt, dass sie ihre fehlende Erfahrung wettmachen, wolle durch Enthusiasmus, Fleiß, Geduld, ein dickes Fell und die Fähigkeit, Kompromisse zu schließen. Mittlerweile habe sie viele Erfahrungen – gerade auch bei der Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer – sammeln dürfen. Die Leidenschaft, etwas anzupacken, sei jedoch unverändert geblieben.

Cornelia Metge

Muster-Weiterbildungsordnung für Psychotherapeut*innen beschlossen

Schwerpunkt des DPT war die Verabschiedung der noch ausstehenden Abschnitte C und D der MWBO für Psychotherapeut*innen. Abschnitt C „Psychotherapieverfahren in Gebieten“ beschreibt, welche Inhalte und Richtzahlen für die psychotherapeutischen Verfahren in der Gebietsweiterbildung erfüllt sein müssen. Dieser Abschnitt C soll noch durch eine Musterrichtlinie ergänzt werden, die die Details der verfahrensspezifischen Qualifizierung in einem Gegenstandskatalog beschreibt.

Abschnitt D „Bereiche“ legt die Anforderungen an Bereichsweiterbildungen in Spezieller Psychotherapie bei Diabetes, Spezieller Schmerzpsychotherapie und Sozialmedizin fest. Sie sollen noch um die Anforderungen an die Spezialisierung in weiteren psychotherapeutischen Verfahren auf dem 40. DPT ergänzt werden. Darüber hinaus ergänzte und korrigierte der DPT bereits getroffene Regelungen im Paragrafenteil A und in Teil B, der sich mit der Gebietsweiterbildung befasst.

Das zentrale Thema der Aussprache war das Ringen der Delegierten um die Sicherstellung einer hohen Qualität der Weiterbildung. Gemeinsames Ziel sei dabei auch, betonte Dr. Nikolaus Melcop, Vizepräsident der BPtK, dass Theorie, Selbsterfahrung und Supervision so organisiert werden, dass sie möglichst abgestimmt die gesamte Dauer der Weiterbildung begleiten. Dem DPT lag dazu ein Antrag vor, die Definition eines „Weiterbildungsinstituts“, das über Kooperationsverträge mit anderen Weiterbildungsstätten Theorie, Selbsterfahrung und Supervision anbieten soll, in der MWBO zu verankern.

Dr. Nikolaus Melcop

Die Antragsteller*innen betonten, dass dies eine freiwillige Option für die Weiterbildungsstätten sei. Für die Psychotherapeut*innen in Weiterbildung sei es ebenfalls ein freiwilliges Angebot. Für diese sei es aber wichtig, die unterschiedlichen Angebote von Institut und Stätte deutlich erkennen zu können, um sich gut entscheiden zu können. Im Übrigen könne bei Problemen in der Umsetzung noch nachgebessert werden. Delegierte betonten, dass die Institute in der jetzigen Ausbildung Orientierung und Vernetzung böten. Dies sei künftig noch wichtiger, wenn die Psychotherapeut*innen in Weiterbildung bei unterschiedlichen Arbeitgeber*innen und in unterschiedlichen Weiterbildungsstätten beschäftigt seien.

BPtK-Präsident Munz wandte ein, dass der Begriff des Weiterbildungsinstituts in dieser Form zum Beispiel große Ambulanzen ausschließe, die ein breites, hochqualifiziertes Angebot an Theorie, Supervision und Selbsterfahrung erbringen, aber dies nur für die Psychotherapeut*innen in Weiterbildung, die an ihrer Ambulanz für den ambulanten Teil der Weiterbildung angestellt sind. Er halte eine solche Regelung unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten für problematisch. Er schlage daher vor, die intendierte Regelung nicht auf diesem DPT zu beschließen, sondern sie an den Vorstand zu überweisen, damit insbesondere auf Landesebene die juristischen Implikationen dieser Regelung geklärt werden könnten. Dem wurde entgegengehalten, dass eine Koordinierung durch Institute für die Qualität der Weiterbildung unbedingt notwendig sei. Deshalb solle bereits dieser DPT über den Antrag entscheiden und damit auch ein politisches Signal senden.

Delegierte wiesen darauf hin, dass im Antrag stehe, dass ein Weiterbildungsinstitut die Weiterbildungsstätten übergreifenden Leistungen nur anbieten müsse. Es könne mit der geplanten Regelung also Weiterbildungsinstitute geben, die zwar angeben, Weiterbildungsleistungen für andere anzubieten, sie aber gar nicht durchführen. Es stelle sich die Frage, welche Qualität mit einer Definition gesichert werden solle, die nicht auf überprüfbare Strukturen und durchgeführte Leistungen abstelle. Der DPT verabschiedete deshalb mit großer Mehrheit eine Regelung, wonach künftige Weiterbildungsinstitute koordinierende Leistungen nicht nur anbieten, sondern auch durchführen sollen.

Zum Abschluss der Debatte kündigte Herr Munz an, dass die BPtK einen intensiven Diskurs dazu anstoßen werde, wie eine finanzielle Förderung der Weiterbildung im ambulanten und stationären Bereich gestaltet werden könne. Auf der Basis dieser Problemanalyse und eines Vorschlags für die unterschiedlichen Settings werde man dann in einer gemeinsamen Aktion mit Landeskammern und Verbänden auf die Gesundheitspolitik zugehen, um möglichst schnell Regelungen für die finanzielle Absicherung der psychotherapeutischen Weiterbildung zu erlangen.

Alle Teile der Musterweiterbildungsordnung wurden mit einer überwältigenden Mehrheit im DPT verabschiedet. Zum Abschluss hielt BPtK-Präsident Munz fest, dass dank einer intensiven und qualitativ hochstehenden Debatte, die Profession einen wichtigen Schritt für die Gestaltung ihrer Zukunft getan habe.

Dr. Dietrich Munz

Armut macht krank

Im Bericht des Vorstands ging BPtK-Präsident Munz davon aus, dass eine nächste Bundesregierung versuchen werde, Lehren aus der Corona-Pandemie zu ziehen. Eins stehe jetzt schon fest: Armut mache krank. Menschen, die in prekären Wohnverhältnissen leben, hätten ein um 60 Prozent höheres Risiko, sich zu infizieren, und Langzeitarbeitslose ein doppelt so hohes Risiko wie regulär Erwerbstätige. Auf diese Schieflage reagiere das Gesundheitssystem nicht adäquat, kritisierte Munz. Dies zeige die niedrige Impfquote von Personen mit niedrigem sozio-ökonomischem Status im Vergleich zur Impfquote von Personen mit hohem sozio-ökonomischem Status.

Bremen zeige, dass dies besser gehe. Dort bestehe bundesweit auch in Wohngebieten mit sozial benachteiligter Bevölkerung die höchste Impfquote und aktuell vergleichsweise niedrige Inzidenzraten. Hintergrund sei, dass in Bremen von Beginn an, insbesondere auch in den strukturschwachen Vierteln, schnell und unbürokratisch Impftermine und Impfungen angeboten worden seien. Außerdem gab es mehrsprachige und kultursensible Informationen, gerade in den benachteiligten Stadtvierteln. Ein effizientes Gesundheitssystem brauche deshalb wohnortnahe Strukturen, mit denen es alle Patient*innen erreichen könne, insbesondere diejenigen mit besonders schwierigen Arbeits- und Lebensbedingungen. Dafür sei ein Paradigmenwechsel in der Gesundheitspolitik notwendig, bei dem Prävention und Versorgung spezifisch auf die Bedürfnisse der verschiedenen Patientengruppen ausgerichtet werde, erklärte Munz.

G-BA-Richtlinie zur Komplexbehandlung

Ein Schwerpunkt des Berichts des Vorstands waren zwei Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Dr. Munz erinnerte zunächst an die wechselvolle Geschichte, die der G-BA-Richtlinie zur Komplexversorgung für schwer psychisch kranke Menschen (KSVPsych-Richtlinie) vorausgegangen war. Ursprünglich sei geplant gewesen, den Direktzugang zur Psychotherapie durch Zuweisungen einzuschränken. Nachdem dieses Vorhaben jedoch in der öffentlichen Debatte krachend gescheitert sei, habe der G-BA den Auftrag erhalten, eine ambulante Versorgung für schwer psychisch kranke Menschen zu gestalten.

Nach der jetzt beschlossenen Richtlinie sollen interdisziplinäre Behandlungsteams, in Netzen organisiert, die ambulante Versorgung schwer psychisch kranker Menschen gemeinsam sicherstellen. Die Patient*innen können zwischen einer Psychotherapeut*in oder einer Ärzt*in wählen, die den Gesamtbehandlungsplan aufstellt und für dessen Umsetzung sorgt („Bezugsärzt*in“ oder „Bezugspsychotherapeut*in“). Die Richtlinie stoße die Tür auf für eine „veränderte Kooperationskultur, für ein verändertes Miteinander in der Versorgung psychisch kranker Menschen“. Damit werde deutlich, dass klassische Hierarchiemodelle endgültig überholt seien.

Abb.: Ambulante Komplexbehandlung - wesentliche Kritikpunkte

„Sehr kritisch“ sehe er allerdings die Regelung, nach der es künftig verbindlich eine differenzialdiagnostische Abklärung durch Psychiater*innen geben solle. „Das“, so Munz, „ist natürlich Unsinn“. Wesentliche Teile der differenzialdiagnostischen Abklärung übernähmen Psychotherapeut*innen schon in ihren Sprechstunden. Im Übrigen könnten Fragen der somatischen Abklärung, der Indikation für eine medikamentöse Mitbehandlung oder Fragen der Arbeitsfähigkeit auch mit Hausärzt*innen oder anderen mitbehandelnden Fachärzt*innen abgeklärt werden. Angesichts der langen Wartezeiten bei Psychiater*innen gefährde diese unnötige Doppelung der differenzialdiagnostischen Abklärung eine funktionierende Versorgung.

Die BPtK habe deshalb vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) gefordert, die Richtlinie zur ambulanten Komplexbehandlung rechtlich zu beanstanden. Das BMG habe allerdings nur die Rechtsaufsicht und könne fachliche Fehlentscheidungen nicht korrigieren. In den Rahmen der Rechtsaufsicht falle mit Sicherheit der Ausschluss von Psychotherapeut*innen und Ärzt*innen mit halbem Versorgungsauftrag. Die Möglichkeit, halbe Praxissitze zu übernehmen, habe der Gesetzgeber vor knapp 15 Jahren gerade deshalb geschaffen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken. Insbesondere Frauen, die damals wie heute noch deutlich mehr Care-Arbeit übernehmen, sollten dadurch auch mit reduziertem Versorgungsauftrag vertragsärztlich tätig werden können. Diese politischen Weichenstellungen könne der G-BA jetzt nicht mit der Komplexversorgung rückgängig machen. Dafür gebe es auch keinen inhaltlichen Grund. Für alle Niedergelassenen gelte, dass sie für Krisen und Notfälle ihrer Patient*innen erreichbar sein und kurzfristig auch außerhalb der Sprechstunden zur Verfügung stehen müssten, unabhängig davon, ob sie einen ganzen oder halben Versorgungsauftrag haben.

Abb.: Psychotherapeut*innen in der vertragsärztlichen Versorgung

Der BPtK-Präsident kritisierte, dass sich mit dem Ausschluss der halben Praxissitze die Krankenkassen durchgesetzt hätten. Durch diese Einschränkung sei ein flächendeckendes ambulantes Angebot an Komplexversorgung praktisch gar nicht möglich. Sie unterminiere das neue Angebot für schwer psychisch kranke Menschen, auf deren Kosten die Kassen letztlich sparen wollten. Mehr als die Hälfte der niedergelassenen Psychotherapeut*innen seien inzwischen mit einem halben Versorgungsauftrag tätig. Ihr Ausschluss heiße, die Versorgung zu rationieren. Wenn es nach den Krankenkassen gehe, solle es die Komplexversorgung „nur auf dem Papier“ geben.

Die Delegierten forderten einstimmig in einer Resolution, die Hindernisse bei der Umsetzung der Richtlinie zur Komplexversorgung möglichst zügig aus dem Weg zu räumen. Der Vorstand und die Delegierten hoffen dabei auf die politische Unterstützung der neuen Bundesregierung.

G-BA Richtlinie zur Personalausstattung in psychiatrischen Krankenhäusern

Die zweite G-BA-Entscheidung, die BPtK-Präsident Munz kritisierte, war die Richtlinie zur Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik (PPP-Richtlinie). Mehr als 20 Jahre nach Verabschiedung des Psychotherapeutengesetzes sei zwar jetzt klargestellt, dass Psychotherapeut*innen, die in den Kliniken arbeiten, sich auch Psychotherapeut*innen nennen dürfen und nicht mehr als Psycholog*innen bezeichnet werden. Bemerkenswert sei jedoch, dass diese Regelung immer noch gegen den massiven Widerstand der Standesvertretung der Ärzt*innen erkämpft werden musste.

Die BPtK habe sich dafür eingesetzt, dass die Regelaufgaben für Psychotherapeut*innen, die in der PPP-Richtlinie aufgeführt werden, dem Kompetenzprofil der Psychotherapeut*innen entsprechen. Dabei sei es darum gegangen, die Versorgungswirklichkeit in den Kliniken zu berücksichtigen. In den Kliniken übernehmen, erklärte Munz, viele Psychotherapeut*innen die Gesamtbehandlungsplanung und Fallführung in Kooperation mit ihren ärztlichen Kolleg*innen. An diesem Punkt sei die BPtK jedoch am Widerstand der ärztlichen Standesvertreter*innen gescheitert. Es komme nun darauf an, mit den ärztlichen Kolleg*innen in den Kliniken, mit denen die Zusammenarbeit auf Augenhöhe und in guter Kooperation Alltag sei, in den Dialog zu treten. Er sei sich sicher, dass die ärztlichen Kolleg*innen genauso wie die Psychotherapeut*innen vor Ort längst erkannt haben, dass eine kooperative Leitung eine gute Lösung ist und dass es Sinn mache, diese Wirklichkeit auch in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses abzubilden.

Vor allem jedoch stellte Munz fest, sei es ein Skandal, dass die psychotherapeutische Versorgung der Patient*innen in den Kliniken nicht verbessert werde. Die dafür notwendige Erhöhung der Minutenwerte sei durch eine fatale Allianz zwischen Deutscher Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband verhindert worden. Viele Delegierte teilten die Einschätzung des Vorstands, dass der gesetzliche Auftrag mit der jetzigen Regelung nicht erfüllt sei. Psychisch kranke Menschen brauchten „nicht mehr Psychiatrie, sondern mehr Psychotherapie“.

Der DPT forderte einstimmig in einer Resolution, den gesetzlichen Auftrag in der PPP-Richtlinie umzusetzen und die Minutenwerte für Psychotherapie in den Kliniken anzupassen. Auch hier setzen der DPT und der Vorstand der BPtK auf Korrekturen durch die Gesundheitspolitik.

Strukturreform des G-BA notwendig

Resümierend hielt BPtK-Präsident Munz fest, dass die BPtK sich damit gleich zweimal an das BMG wenden musste, damit Richtlinienbeschlüsse des G-BA nur mit Auflagen genehmigt oder beanstandet werden. Insgesamt zeige die Historie der Entscheidungen des G-BA zur Versorgung psychisch kranker Menschen, dass diese Einrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung eine Strukturreform brauche. Die Stimmen der Patient*innen, aber auch die der Ärzt*innen, der Psychotherapeut*innen und der Pflegenden müssen im G-BA gestärkt werden. Sie sollten künftig nicht nur punktuell beratend hinzugezogen werden, sondern mitentscheiden. Er sei sehr froh, dass dieser Punkt auch auf der Agenda der neuen Bundesregierung stehe.

Digitalisierung braucht Sorgfalt

Drittes zentrales Thema im Bericht des Vorstands war die Digitalisierung des Gesundheitssystems. Munz erinnerte daran, dass die Landespsychotherapeutenkammern und die BPtK seit 2020 mit hohem Ressourceneinsatz an der Ausgabe des elektronischen Psychotherapeutenausweises (E-PtA) arbeiten. Ziel dieser Kraftanstrengung sei es gewesen, den Kammermitgliedern Sanktionen zu ersparen. Mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz seien 2019 Sanktionen ab Juli 2021 eingeführt worden für Leistungserbringer, die aufgrund von fehlenden E-PtA auf die elektronische Patientenakte (E-PA) ihrer Patient*innen nicht zugreifen könnten.

Tempo machen und Druck ausüben sei aber noch keine gute Politik, kritisierte Munz. Für den Zugriff auf die E-PA sei der E-PtA gar nicht notwendig, dafür reiche ein Anschluss an die Telematikinfrastruktur mittels SMC-B-Karte vollkommen aus. Die Digitalisierung müsse sich an den Bedarfen der Patient*innen ausrichten. Gegenwärtig werde die E-PA von Patient*innen aber noch gar nicht nachgefragt. In einer aktuell von der Gematik veröffentlichten Umfrage werde deutlich, dass bisher nicht mehr als drei Prozent der Ärzt*innen und ein Prozent der Psychotherapeut*innen von ihren Patient*innen gebeten werden, Daten in der E-PA zu speichern. Aktuell verfügten weniger als ein Prozent der GKV-Versicherten über eine digitale Akte ihrer Gesundheitsdaten. Da frage man sich schon, wofür das Ganze.

Die Befragung der Gematik zeige im Übrigen auch, dass das Vertrauen in die Datensicherheit von Telematikinfrastruktur, elektronischer Gesundheitskarte und elektronischer Patientenakte noch ausbaufähig sei. Dies gelte insbesondere für den ambulanten Bereich. Aber auch die TI- und IT-Expert*innen in Krankenhäusern vertrauten nur mit 67 Prozent in die Telematikinfrastruktur; 62 Prozent in die Datensicherheit der elektronischen Gesundheitskarte und gerade einmal 59 Prozent in die Datensicherheit in der E-PA. Im ambulanten Bereich waren die Zahlen mit 30 Prozent der Ärzt*innen und 16 Prozent der Psychotherapeut*innen, die die E-PA-Daten für sicher halten, noch einmal deutlich geringer.

Vor diesem Hintergrund mache ihm ein Aspekt aus den Koalitionsverhandlungen große Sorge. In einem Papier der AG Gesundheit und Pflege heiße es: „alle Versicherten bekommen DSGVO-konform eine ePA zur Verfügung gestellt; ihre Nutzung ist freiwillig (opt out)“. Er denke, hierüber müsse man noch einmal miteinander sprechen. Fest stehe natürlich, dass jeder Versicherten* eine E-PA zustehe. Fest stehe auch, dass die Versicherten über die Inhalte der E-PA entscheiden. Wichtig sei ihm aber, dass die Psychotherapeut*innen bei Nachfragen ihre Patient*innen beraten können und er tendiere wie bisher dazu, zu allergrößter Vorsicht zu raten (Resolutionen „Digitalisierung braucht Sorgfalt und muss Versorgung verbessern!“ und „E-Evidenz-Verordnung gefährdet berufliche Schweigepflicht“).

Abb.: Planungen der AG Gesundheit und Pflege in den Koalitionsverhandlungen

Reform der Bedarfsplanung angekündigt

BPtK-Präsident Munz ging auf weitere Planungen der AG Gesundheit und Pflege in den Koalitionsverhandlungen ein. Er sei froh, dass die Psychotherapeutenschaft mit vielen ihrer zentralen Anliegen Gehör gefunden habe. Voraussichtlich gebe es in der neuen Legislaturperiode eine Reform der Bedarfsplanung mit dem Ziel, die Versorgung von Kindern und Jugendlichen, aber auch die im ländlichen und strukturschwachen Raum zu stärken. Außerdem könne es zu der geforderten Korrektur der G-BA-Richtlinien zur Komplexversorgung und zur PPP kommen (Resolution „Politik für eine starke psychische Gesundheit“). Er sehe auch Anknüpfungspunkte für die Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung im ambulanten und stationären Bereich. Ein gutes Konzept könne hier auf offene Ohren treffen. Eine wichtige Weichenstellung sei für ihn schließlich, dass die Mitbürger*innen, die der deutschen Sprache nicht oder noch nicht ausreichend mächtig sind, künftig auf die Kostenübernahme für Sprachmittlung bei notwendigen medizinischen Behandlungen hoffen können. Das habe die BPtK seit Jahren gefordert und könnte nun Wirklichkeit werden. Den Delegierten des DPT war es zudem ein Anliegen mit zwei Resolutionen auf den Handlungsbedarf für Kinder und Jugendliche hinzuweisen. Kinder haben das Recht darauf, gesund aufzuwachsen. Um jedoch allen Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, sich unabhängig von ihrer Herkunft oder dem Einkommen der Familie gesund zu entwickeln und ihre Potenziale zu entfalten, brauche es eine breite gesamtgesellschaftliche Anstrengung und eine gemeinsame Strategie. Deshalb sollte eine Enquête-Kommission zur Kindergesundheit eingesetzt werden, an der auch Psychotherapeut*innen als Expert*innen für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen beteiligt sind.

Integrierte Gesundheitszentren

Um Gehör bei der Gesundheitspolitik zu finden, sei es wichtig, betonte der BPtK-Präsident, zur gesamten Themenpalette, die psychisch kranke Menschen und die Psychotherapeut*innen tangiere, ausgewogene und gut durchdachte Positionen zu haben. Deshalb müsse sich die Profession mit dem Aufbau von integrierten Gesundheitszentren beschäftigen, die künftig nach den bisherigen Koalitionsverhandlungen einen Schwerpunkt in der Primärversorgung bekommen sollen.

Ziel dieser Gesundheitszentren werde es voraussichtlich sein, insbesondere vulnerable Patientengruppen besser und früher zu erreichen, indem die Strukturen des Gesundheitssystems mit kommunalen Angeboten verzahnt werden. Durch die Zentren Bildung solle es zu einer besseren und stärkeren Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen kommen. Ziel des Aufbaus solcher Zentren sei auch, die Versorgung in ländlichen und strukturschwachen Regionen sicherzustellen. Primärversorgung könne allerdings immer auch eine Zugangssteuerung durch Hausärzt*innen oder besonders qualifizierte Pflegekräfte bedeuten, hob BPtK-Präsident Munz hervor. Es komme also darauf an, die Konzepte durchzudeklinieren: Was bringen solche Modelle für psychisch kranke Menschen und für die psychotherapeutische Berufstätigkeit und wie könnten sie optimal und angemessen konzipiert werden?

Oben auf der Agenda der neuen Bundesregierung stehe auch der Ausbau der sektorenübergreifenden Versorgung. Hier gelte für psychisch kranke Menschen das Spezifikum, dass die Versorgung durch die Krankenhäuser bereits weit in den ambulanten Bereich hineinreicht – durch psychiatrische oder psychosomatische Institutsambulanzen, durch die stationsäquivalente Behandlung, aber auch durch Modellprojekte zur Umsetzung regionaler Psychiatriebudgets. Diesen Modellen, die im Schwerpunkt aus dem stationären Bereich herausgewachsen seien, stehe nun mit der G-BA-Richtlinie zur Komplexversorgung ein im Schwerpunkt ambulantes Versorgungsmodell gegenüber.

Munz wies darauf hin, dass nach einem der verbreitetsten Modelle der G-BA Inhalte und Rahmenbedingungen der sektorenübergreifenden Versorgung festlege. Krankenhäuser, aber auch ambulante Leistungserbringer könnten sich dann für die so definierten Versorgungsaufträge um Direktverträge mit den Krankenkassen bemühen. Solche Modelle schafften neue Versorgungsoptionen an den Sektorengrenzen, stärkten die Kliniken, die weiter in den ambulanten Bereich hineinwachsen könnten, und seien im Interesse der Fachärzt*innen, für die dies ein Weg aus der budgetierten Gesamtvergütung hinaus sein könnte. Solche Modelle der sektorübergreifenden Versorgung bedienten aber mit Sicherheit das Interesse der Krankenkassen, die mit Direktverträgen einen unmittelbaren Zugriff auf die Versorgung bekämen. Inwieweit dies Versorgungsmodelle für psychisch kranke Menschen sein können, müsse genauso intensiv geprüft werden, wie die Modelle zu integrierten Gesundheitszentren, erklärte Munz.

Projekt „Zukunft der psychotherapeutischen Versorgung“

Der BPtK-Vorstand habe mit dem Projekt „Zukunft der psychotherapeutischen Versorgung“ die Weichen für eine intensive Diskussion innerhalb der Profession gestellt. Gemeinsam gehe es darum, die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Modelle zu prüfen, eigene Vorschläge zu erarbeiten und rote Linien zu markieren. Diese konzeptionelle Arbeit sei entscheidend, um sich bei den kommenden Gesetzesvorhaben erfolgreich als Profession positionieren zu können.

Kurskorrektur bei der Qualitätssicherung notwendig

Zum Schluss seiner Rede machte Munz deutlich, dass eine gesetzliche Klarstellung zum Thema Qualitätssicherung in der nun anlaufenden Legislaturperiode notwendig sei. Trotz aller Kritik an den bisherigen Vorschlägen zur sektorenübergreifenden Qualitätssicherung (QS) sei im G-BA noch keine Kurskorrektur erkennbar. Im Gegenteil: Schnellschüsse der Politik hätten die Lage für die Psychotherapeut*innen noch weiter verschärft. Denn jetzt gäbe es auch noch einen gesetzlichen Auftrag für ein QS-Verfahren in der ambulanten Psychotherapie. Diese Regelung sei zudem verknüpft mit dem Wegfall sämtlicher Regelungen des Antrags- und Gutachterverfahrens. Für die notwendige Kurskorrektur brauche die Profession aber ein eigenes Konzept zur Qualitätssicherung. Der Vorstand wolle in den nächsten Monaten gemeinsam mit der Profession ein wissenschaftlich fundiertes Konzept zur Qualitätssicherung mit einem Nutzen für Patient*innen und Psychotherapeut*innen entwickeln.

Dr. Andrea Benecke

Klimaschutz ist Gesundheitsschutz

Frau Dr. Andrea Benecke, Vizepräsidentin der BPtK, erinnerte an die Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen im Sommer 2021. Todesangst und Hilflosigkeit, die Trauer um Angehörige und Nachbar*innen, die Zerstörung von Wohnung und Eigentum sowie beruflicher Existenz haben viele Menschen traumatisiert. Es sei vielerorts gelungen dank ehrenamtlichen Engagements, schnell und unbürokratisch psychotherapeutische Beratung und Behandlung anzubieten. Sie forderte für die Zukunft, Strukturen für eine angemessene psychosoziale und psychotherapeutische Versorgung unmittelbar nach solchen Extremwetterereignissen zu schaffen. Im Ahrtal sei im Übrigen deutlich geworden „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz“.

Satzungen und Musterordnungen gendern

Der DPT diskutierte auch die Frage, ob die BPtK ihre Satzung, die Geschäftsordnung und die Musterordnungen (Berufs-, Weiterbildungs- und Fortbildungsordnung) in einer geschlechtergerechten Sprache verfassen solle. Der Vorstand bat hier um das Votum, eine entsprechende Überarbeitung für den nächsten DPT vorzubereiten. Munz erläuterte, dass die Gesellschaft für deutsche Sprache sämtliche Schreibweisen, ob Gendersternchen oder Doppelpunkt, für kein geeignetes Mittel halte, um eine diskriminierungsfreie Sprache umzusetzen. Es sei auch nachvollziehbar, dass dies zu Problemen mit der Rechtschreibung, der Grammatik und der Transformation der geschriebenen Sprache in eine gesprochene Sprache einhergehe. Die Schlussfolgerung aus diesen Problemen könne aber aus Sicht des Vorstands nicht sein, dass Menschen, die sich nicht als männlich oder weiblich verstehen, nicht angemessen angesprochen werden. Diese Menschen könne man nicht nur mitmeinen. Die Erfahrungen mit dem generischen Maskulinum hätten gezeigt, dass Frauen, die angeblich auch immer mitgemeint waren, sich nicht mitgemeint fühlten. Das werde auch bei nicht-binären Menschen so sein. Deshalb bitte der Vorstand um das Votum, die Musterordnungen, die Geschäftsordnung der DPT und die Satzung geschlechtergerecht zu gendern und dabei das Gendersternchen zu verwenden. Dabei sei das Votum des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes entscheidend gewesen, der zwar grundsätzlich auch gegen die Verwendung von Sonderzeichen sei, das Gendersternchen allerdings im Zweifel für die bessere Lösung halte.

Dem hielten Delegierte entgegen, dass die Sprache für die Psychotherapie Kernstück der Arbeit sei. Die Verwendung des Gendersternchens sei eine „Kopfgeburt“ und weiche von der Alltagssprache ab. Es sei eine „Machtdemonstration intellektueller Eliten“ und trage zur Spaltung der Kammermitglieder bei. Gerade auch mit Blick auf die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern sei es angemessen, die Mitgliedschaft in einer Urabstimmung abstimmen zu lassen. Dem wurde entgegengehalten, dass der Antrag nicht auf die Sprache in der psychotherapeutischen Versorgung abziele, sondern ausschließlich auf die diskriminierungsfreie Abfassung der Satzung und Musterordnungen. Der DPT sprach sich mit großer Mehrheit dafür aus, geschlechtergerechte Satzung, Geschäftsordnung und Musterordnungen zu erarbeiten.

Dr. Betteke van Noort in den KJP-Ausschuss gewählt

Frau Dr. van Noort berichtete in ihrer Bewerbungsrede, dass ihre Approbation im März nächsten Jahres anstehe. Sie wolle gern diese „frische PiA-Perspektive“ in die Arbeit des Ausschusses „Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie“ (KJP) einbringen ebenso wie ihre wissenschaftliche Expertise, die sich in einer Promotion zum Thema Jugendhilfe zeige. Auch diese Perspektive würde sie gern in die Arbeit des KJP-Ausschusses einbringen. Der DPT wählte mit großer Mehrheit Frau Dr. van Noort in den KJP-Ausschuss, nachdem zuvor geklärt war, dass kein Mann für dieses Amt kandidieren wollte. Hätte ein Mann kandidiert, hätte aufgrund der Quotenregelung das nun freigewordene Amt im KJP-Ausschuss von einem Mann besetzt werden müssen.

Dr. Georg Kremer in den PTI-Ausschuss gewählt

Auch stand beim 39. DPT eine Nachwahl für den Ausschuss „Psychotherapie in Institutionen“ (PTI) an. Für dieses Amt kandidierte Dr. Georg Kremer. Er berichtete den Delegierten, dass er 25 Jahre in der Akutpsychiatrie im Suchtbereich gearbeitet habe. Er habe eine Leitungsfunktion in einer Tagesklinik übernommen und sei auch Mitglied der Klinikleitung gewesen. Aufgrund seines beruflichen Engagements habe er vor einigen Jahren seine Mitgliedschaft im PTI-Ausschuss niedergelegt, da beides nicht vereinbar gewesen sei. Nun hätten sich seine Rahmenbedingungen verändert und er würde sehr gern wieder im PTI-Ausschuss mitarbeiten. Die Delegierten wählten ihn mit großer Mehrheit in den PTI-Ausschuss.

Vorstand für den Haushalt 2020 entlastet

Rudi Bittner, Vorsitzender des Finanzausschusses, erläuterte den Delegierten den Haushaltsabschluss der BPtK für das Jahr 2020. Die Delegierten folgten einstimmig dem Votum des Finanzausschusses und entlasteten den Vorstand.

Wolfgang Schreck

Beschluss des Haushaltsplans 2022

Wolfgang Schreck erläuterte für den Vorstand der BPtK den Delegierten die ausgabenwirksamen Vorhaben des Vorstands für das Jahr 2022. Rudi Bittner erläuterte die Bewertungen des Haushaltsplans durch den Finanzausschuss. Auch hier folgte der DPT einstimmig dem Votum des Finanzausschusses und beschloss die Haushaltsplanung für das Jahr 2022.

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